Veröffentlicht am 25. September 2017 von Juan Proll
Zum Ersten, zum Zweiten und … zum Dritten – Nashorn verkauft
Na ja – nicht wirklich das Nashorn wird hier versteigert, sondern nur das Horn auf seiner Nase, beziehungsweise das Horn, das mal auf seiner Nase war. Alles andere? Wertlos? Allenfalls was für Romantiker, die gerne noch Urgesteine der Natur sehen? Nein! … Nasenhorn absägen und verkaufen, damit der Rest des Körpers geschützt werden kann, das ist hier die Idee. Aber spulen wir das Band noch mal kurz zurück:
Weltweit gibt es nach optimistischen Schätzungen (Ende 2015) der „Save The Rhino Organisation“ rund 30.000 Nashörner, von denen auf dem afrikanischen Kontinent ca. 26.000 leben. Südafrika gilt als das Land, das annähernd 80% aller afrikanischen Nashörner beherbergt. Dies ist unter touristischen Gesichtspunkten ein Segen, hinsichtlich des Artenschutzes allerdings ein Fluch, denn: Das Nashorn gilt als bedrohte Tierart und das Nasenhorn als begehrte Trophäe.
Die medizinische Wunderwaffe
Seltener wird diese Trophäe aber an die Wand gehangen oder kunsthandwerklich verarbeitet. Viel mehr wird sie pulverisiert und als Allheilmittel insbesondere in China und Vietnam verkauft. In diesen Ländern gilt Nasenhorn innerhalb der traditionellen Medizin als „das Beste vom Besten“. Vor ein paar Jahren, so heißt es, verkündete ein hoher Regierungsbeamter Vietnams, dass Nasenhorn-Pulver seine Krebserkrankung heilte. Wirklich belegt scheint diese Story nicht, aber ihr Erscheinen markiert nach Jahren der Schonzeit den Beginn einer neuerlichen, dramatischen Epoche für die Nashörner dieser Welt.
„Das Beste vom Besten“ beruhigt das Gewissen und stärkt das Vertrauen, das Richtige zu tun, wenn es einem schlecht geht. Da sitzt der Glaube tiefer als die medizinische Erkenntnis, das Nasenhorn als Substanz selbst keine Heilwirkung hat. Es besteht hauptsächlich – wie unsere Fingernägel und Haare auch – aus Keratin (Faserproteine). Darüber hinaus enthält es noch Kalzium und Melanin.
In Vietnam festigt Nasenhorn-Pulver sogar den sozialen Status derjenigen, die im Stande sind, ein bisschen von dem Stoff zu besorgen und ihn zu verschenken. Was sind da schon ein paar Nashörner, die dafür Jahr für Jahr gewildert und grausam entstellt werden, um an das Horn zu kommen? In 2007 noch 13 getötete Nashörner, in 2014 schon 1215 und in 2016 immer noch 1054 Opfer.
Artenschutz und Handelsverbot
Bei diesen Zahlen ist die Bedrohung der Art nachvollziehbar. Daher stehen Nashörner zu Recht unter dem besonderen Schutz des weltweiten Artenschutzabkommens, das in Kombination mit nationalen Gesetzgebungen den nationalen und internationalen Handel mit Nashörnern bzw. Nashorn-Produkten verbietet. Allein Südafrika und Swasiland haben aufgrund ihrer Mengen gelockerte Bedingungen unter strengen Auflagen, um die Ausfuhr von Jagdtrophäen und lebenden Tieren zu vereinfachen. Kommerzieller Handel ist aber auch hier nicht vorgesehen.
Dennoch zeigen die oben angedeuteten Wilderei-Statistiken, dass der Schutz der Tiere schwierig ist und Verbote nicht respektiert werden. Dafür gibt es wohl einen zu großen asiatischen Nachfrage-Markt, der noch dazu viel Geld zahlt: pro Kilo Nasenhorn – ja nach Quelle – zwischen 24.000 und 80.000 US-Dollar!
Es stellt sich zwangsläufig die Frage, was man gegen das illegale Töten und den illegalen Handel tun kann? Eine der unterschiedlichen Antwortversuche bringt uns nun zurück auf die eingangs angedeutete Auktionsvariante:
Farmersorgen
Tatsächlich gibt es in Südafrika einen Farmer, John Humes, der über (!) 1500 Nashörner auf seiner privat geführten Farm bewirtet. Das ist weltweit einzigartig! Was macht man mit einer solchen Menge von Tieren dieser Größe, die keine Milch geben, keine Eier legen, deren Fleisch nicht verwertet und Fell nicht genutzt wird? Humes sagt, dass er dies aus Liebe zu den Nashörnern und ihrem Überleben mache.
Wie auch immer – man kann sich angesichts der Menge der Tiere sicher leicht vorstellen, dass diese Farm den Wilderern ein ideales Jagdgebiet für Nasenhorn sein könnte. Und weil auch Humes das weiß, investiert er nach eigenen Angaben rund 170.000 Rand monatlich (derzeit ca. 10.950 Euro) für die Sicherheit der Tiere. Dazu gehört ebenfalls das Enthornen der Nashörner, denn – so sagt er – ein Nashorn ohne Horn sei halt für Wilderer nicht mehr interessant.
Bei über 1500 Nashörnern fällt so über die Jahre eine ganze Menge Horn an, vor allem wenn man bedenkt, dass die Hörner, wie Haare oder Fingernägel, wieder nachwachsen und man je nach Wachstum alle eineinhalb bis drei Jahre erneut enthornen muss. Allerdings landet das abgesägte Horn nicht wie Fußnägel im Mülleimer, sondern in einer Vorratskammer, denn – so die Idee von Humes – mit dem Verkauf dieses Horns könne er seine Ausgaben für den Schutz der Tiere langfristig decken.
Recht auf nachhaltige Nutzung der eigenen Wildtiere
Bis 2009 hat das auch gut geklappt. Er verkaufte Nasenhorn legal, in Zeiten, in denen die Nachfrage nach Nasenhorn im Vergleich zu heute geringer war. Doch dann kam das Handelsverbot und gefährdete seine Geschäftsidee. Also verklagte er den südafrikanischen Staat, weil er der Meinung war, dass der Verfahrensweg zum Handelsverbot gegen die Verfassung verstoße und weil es ihm als Nashorn-Besitzer das Recht auf die nachhaltige Nutzung seiner Wildtiere blockiere. Und siehe da, trotz aller Widerstände seitens der Natur- und Tierschützer, trotz internationaler Abkommen gaben die Gerichte ihm im April 2017 endgültig Recht.
Damit hat Humes nun trotz schwerer Auflagen freie Bahn für den nationalen Verkauf. Als erste Verkaufsmaßnahme wählte er kurioserweise eine Online-Auktion. Wer teilnehmen wollte, brauchte nicht nur eine behördliche Erlaubnis, sondern auch 100.000 Rand (ca. 6.400 Euro) „Zutrittsgeld“.
Vor den Augen der Welt
Die Augen der Welt sind nun auf ihn gerichtet und die Frage, wie die Freigabe des nationalen Handels den Markt und die Nachfrage nach Nasenhorn beeinflussen wird. Ganz sicher brauch es mehr als nur eine Verkaufsa(u)ktion, um den Handel ins Rollen zu bringen. Strenge, bürokratische Auflagen werden darüber hinaus wohl erst einmal potenzielle Interessenten abschrecken und nur deren Analysten und Strategieplaner stimulieren. Humes und der Verband der privaten Nashorn-Farmer glauben indes, mit dem legalen Verkauf den illegalen Handel aushöhlen zu können, in dem vor allem die lukrativen Schwarzmarktpreise ungebremst auf den Kellerboden knallen und so der riskant hohe Einsatz krimineller Energie und Logistik unwirtschaftlich würde. Konsequenterweise würde auch das Töten der Tiere aufhören.
In dieser Logik weitergedacht ließe sich der Bedarf zukünftig auf legalem Wege über den Ausbau der Nashorn-Farmerei und die gesammelten Bestände in den Asservatenkammern der afrikanischen Regierungen abdecken.
Um einem durchschlagenden Erfolg dieser Strategie überhaupt eine Chance zum Beweisantritt zu geben, bedarf es aber der Öffnung des internationalen Handels. Ein Antrag hierzu, gestellt von Swasiland, ist aber auf der letzten CITES-Konferenz zum weltweiten Artenschutz abgelehnt worden. Den Bedenken der Kritiker (wie zum Beispiel WWF, EWT, EMS Foundation, Save The Rhino etc.) des südafrikanischen Gerichtsurteils gibt diese CITES-Entscheidung noch mehr Gewicht. Sie weisen darauf hin, dass die Nachfrage auf dem lokalen Markt viel zu gering sei, um lukrativ zu wirtschaften. Das erkläre auch das Sprachwahl-Menü auf der Auktionswebseite von Humes, die nicht nur Englisch, sondern auch Vietnamesisch und Chinesisch anbot. Die Gefahr sei groß, so weiter, dass der südafrikanische Markt von den illegalen internationalen Märkten funktionalisiert würde.
Generell halte man aber auch das Signal für falsch, den Handel zu stimulieren, damit möglicherweise die Nachfrage zu steigern und außerdem der Welt zu sagen, dass es okay sei, das Wohlergehen der Nashörner der eigenen traditionellen Medizin und dem sozialen Status zu opfern. Dies sei zudem kontraproduktiv zu den Bemühungen in den betroffenen Ländern, die Nachfrage durch Aufklärungskampagnen zu senken.
On a Personal Note
Die Befürchtung ist groß, dass vor dem Hintergrund weltweiter Artenschutzprogramme solche „Oasen des legalen Handelns“ mehr Konfusion stiften als Klarheit und Entschlossenheit zeigen. Wie schafft man hier Verfahrensregularien, die nachvollziehbar, überprüfbar und kontrollierbar sind, und das in einem Land, das immer noch sehr mit Korruption und Strukturmangel zu kämpfen hat? Mag sein, dass der Weg des legalen Handels am Ende weniger martialisch getötete Nashörner bedeuten könnte, aber es fühlt sich an wie ein Spiel mit dem Feuer … es kann auch schiefgehen.
In jedem Fall bin ich persönlich davon überzeugt, dass ein konsequent zu Ende gedachter legaler Handel auch den legalen internationalen Handel braucht, dass dieser aber dazu führen würde, aus dem Wildtier-Nashorn ein Nutztier-Nashorn zu machen. In regelmäßigen Abständen müssten die Schwergewichte einer Narkose unterzogen werden, um ihnen wieder einmal das Horn von der Nase zu entfernen. Große Farmen wären nötig, um den weltweit legal angefragten Bedarf an Nasenhorn zu bedienen. Humes weiß das, scheint entsprechend aufgestellt und wäre ganz sicher einer der ganz großen Profiteure. Allerdings ist die Nashorn-Zucht bekanntermaßen nicht einfach. Für diese Farmen müssten also Nashörner aus der Wildnis „rekrutiert“ werden. Doch was ich auf diesen Farmen dann zu sehen bekäme, wäre „Vieh“ mit hornbefreiten Nasen statt echter Urgesteine der Tierwelt mit wildwachsenden und Angst erregenden Auswüchsen. Ich würde „Nutztiere“ sehen, die jegliches wild-natürliche Verhalten ablegen müssen, um vergleichsweise kleinen Raum mit Massen anderer Artgenossen friedlich zu teilen. Hingeworfene Luzerne gäbe es zu fressen statt Gräser oder Blätter.
Wollen wir das wirklich? Was kommt dann als Nächstes? Wollen wir irgendwann im nächsten Schritt den Elefanten ihre Stoßzähne absägen, um auch sie besser vor der Wilderei zu schützen? Irgendwie fühlt sich dieser Weg für mich nicht gut an und so hoffe ich sehr, dass wir andere Lösungen finden. Gedankenspiele dazu gibt es zahlreich, doch dazu mehr ein anderes Mal!