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Veröffentlicht am 17. Mai 2021 von Juan Proll

Wie entstand die Diamantenstadt Kolmanskuppe in Namibia?

Die alte deutsche Kolonialstadt Kolmanskuppe, oder Kolmanskop auf Afrikaans, ist ohne Frage ein Höhepunkt einer jeden Rundreise im südlichen Namibia. Einst war sie das mondäne Zentrum der Diamanten-Industrie von Deutsch-Südwestafrika. Heute zeugen nur noch die verlassenen Häuser von der vergangenen Pracht. Geblieben ist der mystische Flair einer Geisterstadt: Zerfallene und vom Wüstensand verschüttete Gebäude einerseits. Noch gut erhaltene und sich tapfer gegen die Naturgewalt stemmende Strukturen andererseits. Doch wie entstand die Diamantenstadt Kolmanskuppe in Namibia?

Diamantenstadt Kolmanskuppe in Namibia

Das Bild wirkt surreal, die Szenerie künstlerisch. Ihr Anblick schafft einen schier unwiderstehlichen Reiz, näher zu kommen und einzutauchen in diese vergangene Welt.

In meiner kleinen Trilogie möchte ich euch die Geisterstadt Kolmanskop näherbringen. Drei Fragen versuche ich dabei nachzugehen, dessen Antworten euch hoffentlich noch mehr Appetit machen, den Ort bei Lüderitz zu besuchen, zum Beispiel auf einer Selbstfahrer-Tour:

  1. Was in aller Welt bringt Menschen dazu, Kolmanskuppe in die Wüste zu bauen?
  2. Wie gestaltet sich der Aufbau von Kolmanskuppe und was bewirkt ihren Fall?
  3. Warum ist ein Besuch der Geisterstadt Kolmanskop so cool und eine echtes Namibia-Abenteuer zugleich?

Im zweiten Teil geht es heute darum, wie sich der Aufbau von Kolmanskuppe gestaltete und was den Untergang bewirkte.

Entstehung Kolmanskuppe Namibia
Foto: Sonse
Zwischen Entstehung und Beginn des Verfalls liegen in Kolmanskuppe nur 48 Jahre

Aufbau und Entstehung der heutigen Geisterstadt – aller Anfang ist schwer

Nach den ersten Diamantenfunden im damaligen Deutsch-Südwestafrika war der Hype, nach diesen Edelsteinen zu suchen, kaum zu stoppen. Das Deutsche Reich reagierte mit der Einrichtung eines Diamanten-Sperrgebietes, um die Kontrolle zu erlangen. Daher schlossen sich einzeln arbeitende Schürfrechte-Inhaber zusammen, um in der Gemeinschaft stark zu sein und ihre Interessen vertreten zu können. So entstand um August Stauch herum die Koloniale Bergbaugesellschaft (KGB). Ihr Hauptquartier und die Siedlung Kolmanskuppe bauten sie in größter Nähe zu ihren Abbaugebieten.

Hier herrschen Menschen verneinende Wüstenbedingungen. Zunächst entstehen einige Holzgebäude und wellblechverkleidete Unterstände. Fehlender Strom und fehlendes Wasser stellen die besonderen Herausforderungen dar. Anfängliche Diamant-Gewinnungsmethoden sind daher nur unter Verwendung einer Kombination von Sieben, Waschbottichen und Bierkisten unter sehr bedachtem Einsatz von Wasser möglich.

Das Trinkwasser-Problem lässt sich schnell, aber nur kompliziert lösen. Es wird kurzerhand von Kapstadt nach Lüderitzbucht verschifft und über die Schiene nach Kolmanskuppe transportiert. Rund 1000 km durch den wilden Atlantik. Nie weiß man so wirklich, ob und vor allem wann das Wasser ankommt. Aber es kommt.

Ohne Strom dagegen bleiben die Möglichkeiten dauerhaft begrenzt. Vieles lässt sich zwar mit Gas und Kohle machen, wie kochen oder heizen. Jedoch modernes technisches Gerät lässt sich damit nicht betreiben. Für die Dampferzeugung hätte man zwar Kohle einsetzen können, aber das Wasser dafür ist viel zu kostbar und nie genug. Dampfmaschinen sind keine Option. Also tut man alles daran, ein Kraftwerk zu bauen. Und siehe da, 1911 steht ein neues Kohlekraftwerk bei Lüderitz. Die erzeugte Energie erreicht Kolmanskuppe über Transformatoren und per Kabel. Und so wird dieser kleine Ort schließlich mit kostenlosem Strom zu einer Zeit erleuchtet, als das ganze Deutsche Reich und sogar große Teile Londons nur von Gas betriebenen Straßenlaternen erhellt werden.

Mit dem neuen Strom kann nun auch vom Meer Wasser zur Kolmanskuppe gepumpt werden. Dafür hat man extra eine Pumpstation, eine 30 km lange Pipeline und ein Staubecken gebaut. Es dient nicht nur den neu angeschafften abbautechnischen Großanlagen, sondern auch den Bewohnern des noch jungen Städtchens als öffentliches Schwimmbad. Na, wenn das mal keine Verschwendung ist.

Kolmanskop Entstehungsgeschichte
Foto: Werner Bayer
Während der Entstehungszeit waren vor allem Wasser- und Energieversorgung ein Problem

Ab 1913 entspannt sich auch das Trinkwasser-Problem dramatisch. Die weiterhin kommenden Schiffsladungen aus Kapstadt werden durch Wasser aus der Quelle der ca. 80 km entfernten Bahnstation Garub ergänzt und ebenfalls auf dem Schienenweg zu den Diamantenfeldern transportiert.

Geisterstadt Kolmanskop – auf Sand gebaut

Die Möglichkeiten wachsen und mit diesen die Kapazitäten, Bedarfe und Bedürfnisse. Neben den neuen, großen Diamantengewinnungshallen entstehen Werkstätten und Lagerhallen. Sogar ein privates Eisenbahnnetz mit 60 cm Spurbreite entsteht trotz beweglichem Wüstenboden. Es verbindet Kolmanskuppe mit anderen Lokalitäten im Sperrgebiet und umfasst nach 1911 bereits ein Netz von 70 km. Die ersten provisorischen Hütten werden durch massive Häuser aus Stahlmörtel, Stein und Ziegel ersetzt. Im deutschen Stil und Design werden imposante ein- und zweistöckige Wohnhäuser nach den neuesten Erkenntnissen der Architektur im tiefen Sand gebaut – Villen im Jugendstil mit Insignien des wilhelminischen Eklektizismus. Lokale Baumaterialien sind nicht verfügbar. Also müssen alle Materialien, vorgefertigte Strukturen, Türen, Fenster und Abschlüsse ebenso wie alle technischen Anlagen, Hilfsmittel und Ersatzteile aufwändig aus dem Deutschen Reich importiert werden. Eine Polizeistation wird eingerichtet und wacht über die Sicherheit des Ortes. Eine Metzgerei und eine Bäckerei garantieren vertraute Gaumenfreuden. Ergänzt um ein Kasino und ein Lazarett, wenn auch noch aus Wellblech, entsteht eine Heimat in der Fremde für die obere und untere Führungsebene. Das erste Ensemble von sechs Häusern auf dem Dünenhang hat bis heute überlebt. Sie stehen stolz auf der obersten Kontur und überblicken die umliegende Wüste.

Der Anblick dieser Prachtbauten verrät zu dieser Zeit viel über den wirtschaftlichen Erfolg. Rund 4,7 Millionen Karat Diamanten – etwa 960 kg – werden zwischen 1908 und 1913 aus dem Sandmeer der Namib gefischt. Kolmanskuppe gilt in diesen Jahren sogar als reichste Stadt Afrikas, berechnet nach Pro-Kopf Vermögen.

Kolmanskop Namibia Entstehungsgeschichte
Foto: Sonse
Eine Luxusstadt in der Wüste erbauten sich die Deutschen in Kolmanskuppe

Kolmanskuppe mit frischem Wind nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg wird aus der deutschen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ das südafrikanische Mandatsgebiet „Südwestafrika“. Die gemeinsame Priorität, aus dem Diamantenabbau maximalen Gewinn zu ziehen, hilft, die neuen Machtverhältnisse so zusammenzurütteln, dass die Entwicklung von Kolmanskuppe mit neuem Elan vorangetrieben wird. In der neu gegründeten Gesellschaft Consolidated Diamond Mines of South-West Africa Ltd. (CDM) sitzt auch August Stauch weiterhin im Führungsgremium.

Nach dem 1. Weltkrieg wird eine Ziegelfabrik gegründet, um Abfallmaterial zu Bausteinen zu recyceln und den Ausbau des Städtchens voranzutreiben. Alles andere muss nach wie vor aus deutschen Landen importiert werden. 1926 wird eine neue Schule gebaut und das Krankenhaus modernisiert. Es ist das Krankenhaus mit dem ersten Röntgengerät überhaupt im südlichen Afrika. Für den medizinischen Einsatz natürlich, aber für Kontrollen im Kampf gegen Diamanten schmuggelnde Minenarbeiter im Besonderen. Wer glaubt, die Juwelen einfach schlucken und damit entkommen zu können, sieht sich getäuscht. Das Röntgenbild verrät’s und ein Abführmittel bringt es ans Tageslicht. Ein Reichtum von kurzer Dauer.

Im Zentrum entsteht eine Einkaufsstraße mit einer Metzgerei, einem Gemischtwarenladen, einer Soda-Fabrik und einer Bäckerei. Sogar Eis kann in der Wüste als Nebenprodukt der Metzgerei hergestellt und in Maßen kostenlos an jeden Haushalt geliefert werden. Mit dem Einzug der Autos werden Garagen zur Verfügung gestellt und die Straßen mit lehmartigem Material verdichtet, damit sie leichter zu befahren sind. Unabhängig davon fährt eine Art Straßenbahn durch den Ort, um den bestmöglichen Komfort zu gestatten, den deutsche Damenkleidung, der tiefe Sand und die teils stürmischen Winde jener Zeit erfordern.

1927 wird der neue Kasino-Komplex, das soziale Herz der Stadt, errichtet. In ihm befinden sich ein Veranstaltungssaal für Theater- und Kinovorführungen, eine Turnhalle, eine Küche, eine Bar, außerdem Clubräume und im Untergeschoss eine Kegelbahn. So entwickelt sich – gefördert durch die relative Isolation des Ortes – ein hohes Maß an Gemeinschaftsgeist und sozialer Aktivität. In einer lebensfeindlichen Wüste machen Menschen aus dem Nichts ein Alles, aus der Fremde ein Zuhause. Sie arbeiten hier, sie wohnen hier, sie treffen sich auf den Straßen, im Club, beim Kegeln. Sie singen und lachen zusammen, tanzen bei live gespielter Klaviermusik. Eine Straßenbahn bimmelt unweit von ihnen, bereit, sie 50 m weiterzufahren. Es ist dieser extrem widersprüchliche Kontrast einer geschaffenen Oase im sandigen Ödland, der diesem Wüstenort seinen unverwechselbaren und unwiderstehlichen Charakter gibt. Doch dann mutiert sie zur Geisterstadt Kolmanskop.

Wie entstand Kolmanskuppe Namibia
Neben einer Kegelbahn gab es in der heutigen Wüstenstadt auch ein Schwimmbad

Sand im Getriebe und das Ende der Diamanten in Kolmanskuppe

Zu dieser Zeit wohnen etwa 300 bis 400 deutsche Erwachsene, 40 Kinder und 800 Owambo-Vertragsarbeiter in Kolmanskuppe. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden sogar 3.400 Owambo-Vertragsarbeiter und 2.500 Cape Coloureds („Farbige“) auf den Diamantenfeldern beschäftigt. Sie waren es vor allem, die hart auf den Feldern schufteten, während die meisten Weißen das Leben wohlhabender Wüstenstädter lebten. Über die Unterbringung der Nicht-Weißen und den herrschenden Lebensbedingungen dort gibt es vergleichsweise nur bescheiden Auskunft. Es scheint, dass die Minenarbeiter in der Regel in der Nähe der Ausgrabungen und Arbeitsstätten untergebracht waren und nicht in der Stadt selbst. Auch lassen die spärlich existierenden Fotos und Zeitbeschreibungen vermuten, dass sie in Massenunterkünften mit eng aneinander gereihten Schlafnischen lebten. Ebenso deutet alles darauf hin, dass während der gesamten Lebenszeit von Kolmanskuppe eine Vermischung weißen und nicht-weißen Zusammenlebens in jeder Hinsicht unerwünscht war. Für die Nicht-Weißen gibt es sogar ein eigenes Lazarett.

Der April 1930 trifft aber alle ähnlich hart. Die Detonationswellen der Weltwirtschaftskrise lassen selbst die entlegensten Ansiedlungen der südlichen Namib erzittern. Ihre Auswirkungen sind verheerend. Ein Rezessionstsunami nie gekannten Ausmaßes begräbt abrupt die globale Produktion unter sich. Auch in Kolmanskuppe werden die Laufbänder zeitweilig abgeschaltet. Doch damit nicht genug. Bereits vor dem Weltwirtschaftsdesaster sorgt 1928 die Entdeckung weitaus reicherer Diamantvorkommen im südlichen Sperrgebiet für existenzielle Unruhe. Als sich das Ausmaß der Funde bestätigt, verlegt die CDM 1941 ihren Hauptsitz von Kolmanskuppe nach Oranjemund am Grenzfluss zu Südafrika. Mit ihnen gehen auch die Werkhallen, demontiert hier, neu aufgebaut dort. Allein das Krankenhaus als Ergänzung der medizinischen Grundversorgung in Oranjemund und das geschaffene, wüstentaugliche, von Kolmanskuppe operierende Eisenbahnsystem zur Sicherung der Versorgung im Süden verhindern den tödlichen Infarkt. So stirbt das Städtchen langsam und qualvoll. Ab 1951 werden die nördlichen Diamantenfelder aufgegeben und Kolmanskuppe nicht mehr benötigt. 1956 verlassen die letzten Bewohner*innen Kolmanskuppe und das Krankenhaus schließt seine Türen. Eine Ära geht zu Ende. Die Stadt wird geplündert und zerfällt. Die Wüste erobert sich ihren verloren gegangenen Raum zurück. Was einst auf Sand gebaut wurde, bekommt nun eine doppelsinnige Bedeutung. Geboren, gelebt, gestorben in nur 48 Jahren. Doch die Seelen leben weiter in der Geisterstadt Kolmanskop.

Die Geisterstadt Kolmanskop könnt ihr ganz bequem in einer Selbstfahrerreise in Namibia einbauen. Das Tor zum Gelände ist von 8:00-13:00 Uhr geöffnet. Hier bekommt ihr auch die Tickets. Um 9:30 Uhr und 11:00 Uhr gibt es eine geführte Tour durch den Ort, wahlweise auf Deutsch oder Englisch. Sonntags nur einmal um 10:00 Uhr. Das Café bleibt an diesem Tag geschlossen. Im Eintritt sind Permit und Führung enthalten. Auch eine geführte Rundreise in den Süden Namibias ist möglich. Meldet euch bei uns und wir planen gemeinsam.