Veröffentlicht am 29. Juni 2020 von Juan Proll
Kolmanskuppe: Die deutsche Geisterstadt in Namibia I
Die alte deutsche Kolonialstadt Kolmanskuppe, oder Kolmanskop auf Afrikaans, ist ohne Frage ein Höhepunkt einer jeden Rundreise im südlichen Namibia. Einst war sie das glamouröse Zentrum der Diamanten-Industrie von Deutsch-Südwestafrika. Heute zeugen nur noch die verlassenen Häuser von der vergangenen Pracht. Diese Geisterstadt in Namibia ist heute ohne Zweifel die bekannteste im südlichen Afrika: Zerfallene und vom Wüstensand verschüttete Gebäude vermengen sich mit gut erhaltenen und sich tapfer gegen die Naturgewalt stemmenden Strukturen. Mondäne Ruinen mit mystischem Flair.
Geisterstadt in Namibia: Kolmanskuppe
Das Bild wirkt surreal, die Szenerie künstlerisch. Ihr Anblick schafft einen schier unwiderstehlichen Reiz, näher zu kommen und einzutauchen in diese vergangene Welt.
In meiner kleinen Trilogie möchte ich euch die Geisterstadt Kolmanskop in Namibia näherbringen. Drei Fragen versuche ich dabei nachzugehen, dessen Antworten euch hoffentlich noch mehr Appetit machen, den Ort bei Lüderitz zu besuchen, zum Beispiel auf einer Selbstfahrer-Tour:
- Was in aller Welt bringt Menschen dazu, Kolmanskuppe in die Wüste zu bauen?
- Wie gestaltet sich der Aufbau von Kolmanskuppe und was bewirkt ihren Fall?
- Warum ist ein Besuch der Geisterstadt Kolmanskop so cool und eine echtes Namibia-Erlebnis zugleich?
Im ersten Teil geht es heute darum, was davor geschah, bevor man Kolmanskuppe baute.
Mit dem Ochsenkarren in den Sandsturm
Einer Überlieferung zufolge gerät 1905 der Transportfahrer Johnny Coleman mit seinem Ochsenkarren in einen Sandsturm und strandet auf einer Düne. Johnny habe man retten können, den Karren nicht. Wie es den Ochsen ergeht, weiß ich nicht. Aber Coleman bekommt seinen Platz in der Geschichte und der Ort, wo es passiert, bekommt den Namen „Kolmanskuppe“ beziehungsweise auf Afrikans „Kolmanskop“.
Fortan spricht ein jeder mit Ehrfurcht von dieser Stelle, liegt sie doch in der Wüste der Namib, ca. 10 Kilometer außerhalb der Küstenstadt Lüderitz mit ihrem berühmten Wahrzeichen, der Felsenkirche. Warnend erhebt sich die Kolmanskuppe über dem Sandmeer. Sie steht für die unwirtlichen, ausmergelnden und lebensfeindlichen Verhältnisse dieser gnadenlosen Trockenregion, die jedes unvorsichtige Verhalten mit exzessiven Hunger- und Durstattacken peinigt. Und doch entsteht ausgerechnet hier eines der verrücktesten Projekte der deutschen Kolonialzeit in Namibia – der Bau der deutschen Kleinstadt Kolmanskuppe, heute die Geisterstadt in Namibia: Kolmanskop.
Kolmanskuppe in Namibia: Das Juwel der Kolonie
Wer damals unmittelbar vor Ort die Bauaktivitäten beobachtete, ohne die Hintergründe zu kennen, muss sich gefragt haben, was in diese Menschen gefahren sein mag. Warum wollte man mitten in der Wüste, ohne eine angrenzende Wasserquelle und ohne Elektrizität eine Ortschaft zimmern?
Was zunächst auf eine Versandung der neuronalen Schaltzentralen, ein UV-Licht verstrahltes Urteilsvermögen oder eine dürrebedingte Hirnschrumpfung hinzuweisen scheint, erweist sich letztendlich als Folge purer Verblendung. Es sind Diamanten, die im Jahre 1908 an der Oberfläche des Wüstensandes entdeckt werden. Verführerisch glitzern und funkeln sie im Sonnen- und Vollmondlicht und machen es den auf Knien Suchenden zunächst trügerisch leicht, sie vom Boden abzuschöpfen. Ihr bloßer Anblick und auch schon die simple Verwendung des Namens dieses Edelsteins sind in jenen Tagen hochinfektiös und verwandeln die Bewunderung für sie in chronische Gier. Seit 1884, seit der offiziellen Erklärung des afrikanischen Wüstenlandes zum „Schutzgebiet“ des Deutschen Reiches unter der Bezeichnung Deutsch-Südwestafrika warten die deutschen Kolonialherren auf diesen besonderen Moment: endlich ein Bodenschatz, der so richtig Reichtümer verspricht. Kolmanskuppe wird das lang ersehnte Juwel der Kolonie.
Die Stunde des August Stauch
Die Geschichte des Diamantenfundes in Namibia ist unweigerlich verbunden mit dem deutschen Auswanderer August Stauch, einem Angestellten der Deutschen Reichsbahn. Aufgrund seines Asthmas rät ihm sein Arzt, sich in das wüstentrockene Klima Deutsch-Südwestafrikas versetzen zu lassen. Kurz entschlossen folgt der knapp 30-Jährige der Empfehlung seines Arztes, beantragt die Entsendung, sagt seiner Frau und den Kindern Lebewohl, schifft sich 1907 auf einem der großen Wöhrmann-Dampfer in Richtung Kolonie ein und tauscht den Arbeitsplatz in Thüringen mit einem Bahnhofsvorsteherposten an seiner neuen Einseelen-Wüstenstation. „Grasplatz“ ist der Name des Bahnhofs und mehr Wunschdenken als Realität. „Vorplatz zur Hölle“ trifft da Stauchs neue Lebenswirklichkeit sicher genauer, denn er soll dort einen ca. 20 Kilometer langen Eisenbahnabschnitt von den ständigen Sandverwehungen freihalten.
Zur Unterstützung und gegen die Einsamkeit bekommt er einen einheimischen Mitarbeiter an seine Seite gestellt, Zacharias Lewala. Wenig weiß man wirklich über ihn. Nur, dass er wohl zuvor in einer Diamantenmine im südafrikanischen Kimberley gearbeitet haben soll und sich mit den Klunkern wohl auskennt. Er ist es jedenfalls, der eines Tages im April 1908 bei seinem Vorgesetzten Stauch vorbeikommt und ihm ein paar gefundene Steinchen in die Hand drückt, die sich schließlich als Diamanten erweisen.
Stauch reagiert schnell, erwirbt ein paar Schürfrechte, steckt seine zugesicherten Gebiete ab und macht sich auf die Suche. Während im Rest des Landes noch große Skepsis bezüglich der Echtheit dieser Funde geäußert und Fake-News unterstellt werden, ist Stauch schon auf dem besten Weg zum Millionär. Zacharias Lewala geht als Finder der Diamanten in die Geschichte ein. Mehr wohl aber nicht. Ich kann keine Hinweise darauf finden, dass er an dem resultierenden Reichtum seiner Entdeckung beteiligt wird. Genauso wenig weiß man, ob er an Bahnkilometer 19 von einem Sandsturm zugeschüttet, von einem Pferd getreten oder von einem Zug überfahren wird. Vielleicht hat er aber auch bei Kilometer 18 den Kehrbesen auf das Gleis geworfen und sich dann hauptberuflich der Diamantensuche gewidmet. Sollte ihn heutzutage zufällig mal jemand in vernebelten Nächten über die Diamantenfelder zwischen den zerfallenen Häusern der Geisterstadt Kolmanskop spuken sehen, so möge man ihn doch bitte mal genauer fragen.
Kolmanskuppe und die Einrichtung eines Diamanten-Sperrgebietes
Die Zweifel an Stauchs Geschichte weichen bald. Und so erfüllt ein immer größer werdender Zustrom an Diamantenfieber erkrankten Glücksrittern die Wüste mit neuem Leben. Aber mit der wilden und unkontrollierten Sucherei ist es schnell vorbei. Die Reichsregierung stimmt der Schaffung eines riesigen Diamanten-Sperrgebietes zu. Südlich des 26. Breitengrades bis zum Orange River und ca. 100 Kilometer landeinwärts wird eine Zone eingerichtet, in der man Zugänge regulieren, den Abbau und den Handel reglementieren und die Gewinnbeteiligung des Deutschen Reiches garantieren will. Sämtliche damit einhergehenden Befugnisse werden an die Deutsche Kolonialgesellschaft delegiert. Um die Interessen der einzelnen Schürfrechte-Inhaber um Kolmanskuppe herum zu sichern, gründet sich die Koloniale Bergbaugesellschaft (KGB). Gemeinsamkeit macht stark. Mit im Führungsgremium: August Stauch. Das Büro wollen die Verantwortlichen dort haben, wo die Diamanten sind. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Man will den Abbau kontrollieren, den Gewinn maximieren und in Infrastruktur investieren. Deshalb also beginnt 1908 der Bau der Siedlung Kolmanskuppe. Noch ahnt niemand, dass aus ihr eines Tages die Geisterstadt Kolmanskop hervorgeht.
Die Geisterstadt Kolmanskop könnt ihr ganz bequem in einer Selbstfahrerreise in Namibia einbauen. Das Tor zum Gelände ist von 8:00-13:00 Uhr geöffnet. Hier bekommt ihr auch die Tickets. Um 9:30 Uhr und 11:00 Uhr gibt es eine geführte Tour durch den Ort, wahlweise auf Deutsch oder Englisch. Sonntags nur einmal um 10:00 Uhr. Das Café bleibt an diesem Tag geschlossen. Im Eintritt sind Permit und Führung enthalten. Auch eine geführte Rundreise in den Süden Namibias ist möglich. Melde Dich bei uns: Aus Deinem Traum und unserer Expertise wird Deine individuelle Namibia-Reise.