Veröffentlicht am 2. Februar 2015 von Juan Proll
Wie du mir, so ich dir!
Ach ja …, das Touristenleben könnte manchmal so viel einfacher sein. … Und billiger noch dazu. Aber zuweilen ist man eben auch als Tour Operator hilflos den Machen- und Unterlassenschaften von Reiseländern ausgesetzt. Ich denke dabei gerade an Kenia und Tansania, die sich als Nachbarländer seit Jahren damit überschlagen, dem jeweils anderen das Operieren auf dem eigenen Territorium zu erschweren – natürlich mit Konsequenzen für die Reiseveranstalter und Touristen.
Gerade mit diesen beiden Ländern bietet sich eine wundervolle Reisekombination an. So z.B. um der Big Migration auf den Fersen zu bleiben, der „Großen Wanderung“ von Millionen von Gnus in Begleitung von Zebras und Gazellen auf ihrem jährlichen Rundweg dem Regen hinterher auf der Suche nach saftigem Grün. Dabei überschreiten diese Tiere zweimal die kenianisch-tansanische Grenze, … ohne Pass-Kontrollen oder sonstige Auflagen. Wie unkompliziert wäre es doch, im Safari-Fahrzeug sitzen bleiben zu können und mit demselben, inzwischen vertrauten Guide den Tieren über die formalen Demarkationslinien hinaus zu folgen. Aber nein, genau das ist derzeit Niemandem vergönnt. Stattdessen heißt es, nicht nur die Aus- und Einreiseprozedur über sich ergehen zu lassen, sondern auch in das Fahrzeug mit dem Guide eines angemieteten Fremdunternehmens aus dem Nachbarland zu wechseln.
Kenianische Weihnachtsüberraschung
Mit einer echten Weihnachtsüberraschung Ende letzten Jahres toppte Kenia die ohnehin schon unglücklichen Belege nachbarschaftlicher Gegeneinanderarbeit: Es untersagte den tansanischen Reiseveranstaltern, ihre über Kenia ins Land kommenden Gäste vom internationalen Flughafen in Nairobi abzuholen bzw. sie zur Heimreise dorthin zu bringen. Allein die kenianischen Transferunternehmen waren dafür nunmehr zugelassen. Das führte zu der unerträglichen Situation, dass die Anfahrt von und die Abfahrt nach Tansania irgendwo rund 10 km außerhalb des kenianischen Flughafens startete bzw. endete und die Fahrgäste dort samt Gepäck umsteigen mussten. Eine einstweilige Verfügung hat dieses Prozedere in der Zwischenzeit gestoppt, aber eine Lösung ist noch nicht gefunden.
Droht ein Handelskrieg?
In der regionalen Berichterstattung wähnt man die beiden Nachbarstaaten bereits am Rande eines Wirtschaftskrieges. Kaum zu glauben, dass beide Länder zusammen mit Uganda, Rwanda und Burundi der East African Community (EAC) angehören, die seit dem Jahr 2000 Ziele wie Freihandelszone, politische Föderation, gemeinsame Währung und die Einführung eines Ostafrika-Passes umsetzt. Dinge, die sehr an die EU erinnern. Das Handeln der beiden Mitgliedsstaaten widerspricht aber dem Geist des Abkommens.
Die gewaltigen Kräfte des Konkurrenzkampfes im Multi-Milliarden-Dollar Geschäft des Tourismus‘ und der damit einhergehende Schutz des eigenen Arbeitsmarktes sowie der vorhandenen natürlichen Ressourcen scheinen hier die Grenzen des derzeit Machbaren aufzuzeigen. Grob betrachtet lassen sich vor allem zwei Konfliktlinien identifizieren:
- Tansanias Grenzschließung des Bolongonja Gates in der Nord-Serengeti in den 1970er Jahren und damit Kenias Verlust des direkten und sehr einfachen Zugangs zur Serengeti.
- Ein Abkommen beider Staaten aus dem Jahre 1985, welches kenianischen Reiseunternehmen untersagt, mit eigenen Fahrzeugen und Fahrern in die Nationalparks Tansanias hineinzufahren.
Frustrierte Verhandlungen
In beiden Fällen geht es Tansania um die Sicherung der Existenz des einheimischen Reisemarktes. Kenia dagegen zielt auf die Expansion des ihrigen. Kenianische Versuche in der nach-1985-Ära, die tansanische Haltung aufgrund veränderter Interessen aufzuweichen, scheiterten. So entschied Kenia seinerseits, es Tansania gleich zu tun und verschloss ihnen den Zugang zu den kenianischen Nationalparks. Mit Berufung auf die Umsetzung der jüngeren EAC-Absprachen nahm Kenia dann Anfang letzten Jahres einen erneuten Anlauf, Tansania zur Öffnung ihres Arbeitsmarktes zu bewegen. Doch wieder vergeblich. Tansania bunkert weiter, Kenia scheint zu kontern und Touristen werden nicht nur weiter hin und her geschoben, sondern zahlen dafür auch noch obendrauf.
Ungewisse Aussichten
Wohin das führt? Keine Ahnung! Viele Touristen nehmen es zum Glück noch sportlich oder abenteuerlich, eben als eine Facette von „This is Africa“. Und natürlich versuchen wir, es ihnen unter diesen Umständen so angenehm wie möglich zu machen. Doch darüber hinaus ist es derzeit schwierig, dem angeschlagenen Tourismus in dieser Region auf die Beine zu helfen. Mit Blick auf das EAC-Abkommen habe ich volles Verständnis für behutsame Debatten um das Thema von Grenz- bzw. Arbeitsmarktöffnungen. Vor allem, wenn es auch darum geht, der Gefahr eines einfallenden Massentourismus in der Nord-Serengeti vorzubeugen, der das in sich ruhende Ökosystem dort komplett umkrempeln und in ein Kaufhaus während des Sommerschlussverkaufs verwandeln könnte. Verantwortlicher und nachhaltiger Tourismus und der Schutz der Tiere müssen oberste Priorität bleiben. Entsprechende Zugangsregulierungen wären zu implementieren, sei es z.B. die Einführung einer Mindestverweildauer von 2 Übernachtungen bei gleichzeitig sehr kontrollierter Erhöhung der Lodge- und Campingkapazitäten.
Derzeit scheint es aber mit der Kommunikation der beiden Tourismusgiganten eher zu hapern. Sie verhalten sich wie vorpubertäre Kinder, die beste Freunde sein wollen und sich ihre Träume von der Zukunft erzählen. Doch schon bei der ersten Herausforderung schreien die einen: „Das ist mein Förmchen!“ Und die anderen brüllen zurück: „Wie du mir, so ich dir!“
Wenn es da doch nur einen Dr. Sommer der Reisebranche gäbe …