Veröffentlicht am 26. Oktober 2015 von Juan Proll
Vogelfreuden
Wie langweilig fand ich doch immer unsere Vögel in Deutschland. Eintönige Graustufen, kaum Farbiges … so habe ich unsere Vögel in Erinnerung. Und wer trotzdem gerne Vögel mochte, kaufte sich irgendwelche Exoten aus fernen Ländern.
Die Vogelwelt im südlichen Afrika ist dagegen abwechslungsreich und … bunt, bunt, bunt. Über 950 Spezies sind hier unten bekannt und je nach Jahreszeit bekommt man immer wieder neue Ausschnitte dieses Artenreichtums geboten. Selbst Besucher, die wie ich zuvor mit Vögeln nicht viel am Hut hatten, schauen während der Touren doch ab und an fasziniert in Richtung Baumast oder Strauchkrone, weil viele der Flügelträger einfach zu auffällig gefiedert sind, um ignoriert zu werden. Ich denke da z.B. an die Gabelracke.
Der deutsche Name bezieht sich auf den gabelartigen Schwanz. Und wenn man diesen sieht, könnte man tatsächlich meinen, dass er seine Diät aus Insekten, Käfern, Schmetterlingen, Eidechsen, kleinen Schlangen, Fröschen und Nagern bevorzugt mit der Schwanzgabel statt mit dem Schnabel aufpickt.
Der englische Name ist Lilac-breasted Roller, also sehr frei übersetzt „Lilabrust-Racke“. Dieser Name bezieht sich auf seine Brustfärbung, die eben lila ist. Es heißt sogar, hier seien 14 verschiedene Lila-Töne zu finden. Nun, das sind für mein ungeübtes Auge zu viele Farbnuancen, um das bestätigen zu können, aber dafür kann ich sagen, dass er noch etliche Farben mehr im Gefieder vereinen kann. Sehr offensichtlich sind z.B. die grünliche oder bräunliche Kopfhaube, der blaue Bauch oder ein leichtes Orange in den Flügeln. Natürlich immer auch eine Frage der Saison, also ob gerade Paarungszeit ansteht oder vorüber ist.
Der Vogel ist zwar nicht sonderlich groß – gerade mal bis zu 36 cm vom Kopf bis zur Schwanzspitze – aber dennoch für viele Ureinwohner des Südens ein Gigant an Bedeutungskraft: Für sie ist die Gabelracke was für uns die weiße Taube ist, ein Symbol des Friedens und der Versöhnung.
Sie nannten ihn „Langazana“, den „Vogel der Sonne“. Wenn sich Völker bekriegten und die Könige Frieden schließen wollten, opferten sie eine Langazana-Gabelracke und schnitten ihr die Kehle mit der Spitze eines Kriegsspeeres durch. Der Speer wurde so von allem Teuflischen gereinigt und gleichzeitig mit dem Blut des Sonnenvogels geheiligt. Nun wurde im weiteren Verlauf der Zeremonie der Speer von den beiden Königen zerbrochen und in einem Loch vergraben, zusammen mit dem Langazana, der auf den Speerhälften ruhte. Und so war der Frieden wieder hergestellt.
Ja, auch das Vogelleben kann hart sein. Aber die meisten Gabelracken heute kennen diese Zeiten nur noch aus der mündlichen Überlieferung. Drum sind sie häufig auch sehr entspannt, wenn Menschen an ihnen vorbeikommen und ihre Schönheit bewundern. Und obwohl sie wissen, dass ihre Vogel-Konkurrenz auf dem Kontinent gewaltig ist, geben sie sich stolz und selbstbewusst. Sie wissen eben auch um ihre magische Kraft auf das menschliche Auge.
Die Länder des südlichen Afrika sind voll von echten Paradiesvögeln, in allen Größen und Farben und mit vielen interessanten Geschichten zu ihrer Art. Vogelliebhaber kommen hier sowieso auf ihre Kosten und Vogelneutralhaber verlieren nicht selten für die Dauer ihres Aufenthaltes ihre Gleichgültigkeit. Wie könnte das auch anders sein, wenn diese Beauties der Lüfte doch wie Tagsterne den Himmel füllen.