Veröffentlicht am 4. April 2016 von Juan Proll
Giraffen – Grazien der Savanne
Als Julius Caesar 46 v. Chr. die erste Giraffe nach Rom bringen ließ, staunten die Römer nicht schlecht. Die Statur des Tieres und die Musterung des Fells – so heißt es – ließ sie glauben, dass es sich um eine Mischung aus Kamel und Leopard handeln musste. Kein Wunder also, dass man ihnen den wissenschaftlichen Namen „Giraffa camelopardis“ gab.
Die Bezeichnung „Giraffe“ stammt allerdings aus dem Arabischen „Zarāfa“ und bedeutet so viel wie „die Liebliche“. Und „lieblich“ ist tatsächlich der erste Eindruck, der auch mir in den Sinn kommt, wenn ich ihnen in der Savanne begegne. Ganz besonders dann, wenn sie ruhig und entspannt an den Akazienbäumen stehen, die Blätter herunterzupfen, sie genüsslich kauen und mich dabei mit ihren großen Augen unter den langen Wimpern grüßend anschauen. Es ist, als wollten sie sagen: „Mmmh, das Grün ist so saftig! Komm, steig aus und probier es selbst. Du bist herzlich willkommen.“
Giraffen sind ohne Zweifel ein Höhepunkt auf jeder Safari. Wer kann ihrem Anblick schon widerstehen. Sie sind so sehr mit dem Bild Afrikas verbunden, wie die Stadtmusikanten mit Bremen. Giraffen sind südlich der Sahara weit verbreitet und gerade in den großen Safari-Nationen wie Kenia, Tansania, Botswana, Südafrika und Namibia gut anzutreffen. Zwar sehen ihre Fellzeichnungen von Region zu Region unterschiedlich aus, doch egal ob Massai-, Angola- oder Kap-Giraffe – es sind nur Unterarten der gleichen Spezies. Erfolgreiche Paarung wäre also möglich, sollten sich mal die Wege einer Massai-Lady und eines Kap-Gentleman kreuzen.
So ungewiss die Musterung des Nachwuchses bei solchen Mischehen sein mag … so sicher ist, dass er bei der Geburt wie alle anderen auch erst einmal eine Fallhöhe von knapp zwei Metern zu überwinden hat. Die Mami steht bei der Geburt und hat die Knie nur leicht eingeknickt, während das Baby mit den Füßen voran das schützende Innere verlässt und sich sogleich voller Spaß an der Nabelschnur hängend in die Tiefe stürzt. Kurz vor der Landung schnackt der Versorgungsstrang zurück und ermöglicht so ein weicheres Aufsetzen. Spätestens hierbei wird deutlich, dass das Bungeejumping keine Erfindung der Neuseeländer sein kann. Ein Aufstoßen am Boden gibt es für das Giraffenjunge dennoch, wird auf diese Weise doch schließlich die Lungenaktivität in Gang gesetzt.
Mit diesen langen Beinen sehen die Gehbemühungen der Kleinen erst einmal sehr wackelig aus – kein Vergleich zu den Bewegungen ausgewachsener Artgenossen, dessen eleganter Laufstil auf den Betrachter so harmonisierend wirkt wie die Klänge meditativer Musik.
Giraffen schreiten im so genannten Passgang vorwärts: statt die Beine über Kreuz einzusetzen, bewegen sie das rechte Hinterbein zusammen mit dem rechten Vorderbein, bevor dann die linke Seite folgt. Auf diese Weise kommt nicht nur die charakteristische Schaukelbewegung zustande, sondern entsteht – bedingt durch die Größe der Tiere – auch der Eindruck einer zeitlupenartigen Vorwärtsbewegung. Dieser Anblick entschleunigt die innere Uhr und beruhigt. Gleichzeitig verleiht es der Giraffe etwas Majestätisches und macht sie zur unbestrittenen Grazie der Savanne.