Veröffentlicht am 17. Dezember 2011 von Ute Stierle
Tansania intensiv: Fünfmonatiger Aufenthalt in Arusha
Ich habe das Team in unserer tansanischen Agentur in Usa River bei Arusha unterstützt. Hier meine Erlebnisse:
Erwartungen und Vorstellungen
Im Juli 2011 erhielt ich spontan das Angebot für 5 Monate in unsere Schwesterfirma in Tansania zu arbeiten, ohne lange zu Überlegen sagte ich zu. Nach der ersten großen Vorfreude gingen mir viele Überlegungen durch den Kopf: Was kommt auf dem schwarzen Kontinent als weiße Frau mit blonden Haaren auf mich zu? Ich war also gespannt.
Ansonsten schossen mir bei Tansania Wörter wie Entwicklungsland, schlechte Infrastruktur, trocken und heiß durch den Kopf. Selbstverständlich wusste ich, dass es ein wunderschönes Land für Reisen ist und dachte: Ich lasse mal auf mich zukommen, was es heißt, dort zu leben und zu arbeiten.
Die Ankunft
Nachdem zu Hause alle Vorbereitungen für meine 5 monatige Abwesenheit geregelt waren, ging es am 25. Juli 2011 los. Ich flog ab Frankfurt mit Ethiopian Airlines über Adis Abeba/ Äthiopien zum Kilimanjaro Airport nach Tansania. Da ich bei Dunkelheit landete, konnte ich leider den höchsten Berg Afrikas nicht schon beim Anflug bewundern. Bis ich den Berg überhaupt zum ersten Mal durch die Wolkendecke sehen durfte, sollten noch 2 Monate vergehen.
Am Flughafen wurde ich von Ludo, dem Transferfahrer der Firma, abgeholt und für den Rest der Nacht zu einer Lodge in Arusha gefahren. Auf dem Weg dorthin stellte ich fest, dass in Tansania versucht wird mit „Speed Bumps“ (=Schwelle zur Geschwindigkeitsbegrenzung) überhöhte Fahrgeschwindigkeit in den Griff zu bekommen. Alleine bei der einstündigen Fahrt passierten wir ca. 20 Speed Bumps. Ich hatte viel Trubel im Straßenverkehr erwartet. Alle Fahrzeuge, die sich die Straße teilen sind ganz nach dem Motto „Der Größere gewinnt“ unterwegs: Motorräder, Kleinbusse als Taxen, Reisebusse in allen Farben und überall Landcruiser verschiedener Safariunternehmen. Als wir von der Hauptstraße abfuhren, wurde die Teerstraße zu einer erdigen „Holperstraße“, die mit einem normalen PKW kaum befahrbar ist.
Nach einer kurzen ersten Nacht ging´s zum Büro, welches in Usa River, außerhalb von Arusha an der Momella Straße zum Arusha Nationalpark liegt. Auf dem Weg dorthin war ich beeindruckt von soviel ‚Grün’! Ich sah Reisfelder, grüne Äcker, Bäume und an der Momellastraße sogar Waldgebiete.
Die ersten Tage wohnte ich bei einer Kollegin, bis ich am 1. August in meine eigene Wohnung zog die ich mir mit einer Kenianerin teilte, die ebenfalls für ein paar Monate in Arusha arbeitete. Die meisten Häuser in Usa Rivar bestehen aus einem Erdgeschoss. Einzelne Häuser sind eingezäunt oder mehrere Häuser sind sogar von einer Mauer umgeben. Nachts werden die Grundstücke zusätzlich von einem Wachmann bewacht. Meine kleine Wohnung sah aus wie bei uns in Europa. Auffallend war nur der Herd, der an einer Gasflasche angeschlossen war, das Moskitonetz über dem Bett, die vielen Schlösser und Gitter an den Türen und Fenstern, der Wassertank auf dem Dach und die Außentoilette für den Wachmann. Schnell stellte ich fest, dass es in Usa River Strom nach Stundenplan gab, dieser wurde aber nicht wirklich eingehalten und so saß ich abends oft im Dunkeln und las bei Kerzenlicht, denn andere Aktivitäten wie Fernsehen, Musik hören, den Laptop benutzen benötigen ja Strom. Wenn kein Strom da war, musste auch kalt geduscht werden! Irgendwann merkten wir auch, dass der Strom ganz weg ist, wenn man keine Prepaid Karten für den Strom kauft. Wir arrangierten uns: Geduscht wurde immer sofort, wenn der Strom da war, man wusste ja nie, ob er gleich wieder abgeschaltet wird. Elektronische Geräte wie Handy oder Laptop wurden immer ganz aufgeladen, damit der Akku bei Stromausfall möglichst lange durchhielt. In Tansania zu leben ist einfach eine Herausforderung, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Da sah ich einiges: Generatoren, portable DVD-Player die im Auto geladen werden können, aufladbare Lampen, usw. Das wichtigste Utensil war die Taschenlampe!
Mein Tagesablauf
Aufstehen war kein Problem, denn ab 6 Uhr früh ging die Sonne auf. Nach einem kleinen Frühstück stieg ich in den Firmenjeep und fuhr 10 Minuten über die holprige Erdstraße zum Büro. Nicht immer ging das problemlos, denn die Straße wurde erneuert und somit auf einer Straßenseite riesige Erdhügel angehäuft.
Die Hunde begrüßten mich täglich mit lautem Gebell im Büro. Mein neuer Arbeitsplatz lag wirklich idyllisch. Die riesige Fensterfront bot einen wunderschönen Ausblick auf den Mount Meru. Das Büro hatte natürlich einen Generator und wir sitzen hier ja ebenso an Computern und arbeiten via eMails. Es gab keinen Internetanschluss per Kabel sondern Internetsticks, die ganz schön viel Geld verschlingen und manchmal auch für einen halben Tag aussetzten. Es war schon beeindruckend, dass ich mit diesem Stick sogar in meiner Wohnung ‚irgendwo in Afrika’ online sein konnte und somit auch per Skype und Webcam mit meinen Freunden und meiner Familie daheim sprechen konnte. Wirklich beeindruckend für mich war, dass es wirklich überall in Tansania Handynetzempfang gibt. Sollte es mal kein Netz geben, gab es sicherlich über einen anderen Anbieter dort Empfang. Aus diesem Grund besitzen alle Einheimischen mindestens zwei Handys. Ganz neu sind die günstigen Handys, in die zwei SIM-Karten eingesetzt werden können – echt praktisch. (Sogar auf dem Kilimanjaro haben unsere Guides somit Handyempfang!)
Englisch ist Bürosprache und die Sprache, die im Tourismus in Tansania überall verwendet wird. Eigentlich ist Swahili die Amtssprache Tansanias. Meine Kollegen sprachen untereinander auch Swahili. Nach ein paar Monaten fragten alle nach meinen Fortschritten in Swahili, die leider sehr gering waren.
Die Arbeitszeiten im Büro waren montags bis freitags zwischen 08:30 und 17:00 Uhr und samstags von 08:30 bis 13:00 Uhr. Oft aßen wir im Büro zu Mittag und meine Kollegen kochten typisch tansanische Gerichte, wie: Pilau, Makande, Ugali, Chips Mayai, Chapatis oder Maharague. Meist Reis- oder Maisgerichte mit Bohnen oder Rindfleisch.
Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen im Büro war gut und wir hatten auch viel Spaß. Neu und etwas ungewöhnlich war für mich die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern, wie z.B. den Reservierungsbüros der Hotels. Um Zimmer zu buchen, mussten eMails geschrieben und mehrere Telefonate geführt werden. Kam eine Antwort zurück, musste meistens doch noch irgendetwas verbessert werden. Wie einfach sind doch Buchungen in Europa: Es wird einfach zum entsprechenden Zahlungszeitpunkt per Computer und Online-Banking bezahlt. In Tansania gibt es so etwas noch nicht. Auch Überweisungen von einem Konto auf ein anderes können nicht getätigt werden. Alles muss in Bar oder per Scheck bezahlt werden. Viele Hotels akzeptieren auch nur Buchungen, wenn eine Anzahlung geleistet wurde. Somit kann es Tage dauern, bis man eine Buchungsbestätigung erhält, denn ein Mitarbeiter muss mit einem Scheck im Reservierungsbüro des entsprechenden Hotels in Arusha Stadt gehen und dort bezahlen und das Buchungsformular abstempeln lassen. Ein unglaublicher Aufwand! Interessant wird es, wenn Geld bei der Bank geholt wird. Tansanische Schillinge gibt es nur in Banknoten bis 10.000, umgerechnet ungefähr 5,- Euro. Werden also 5 Millionen Schilling (nicht mal 2.500,- Euro) in bar abgehoben, ist die ganze Handtasche mit Geldstapeln voll!
Tansania ist aber auch das Land der Möglichkeiten: Es ist zum Beispiel überhaupt kein Problem einen 2 m breiten Holzschreibtisch (aus einem Stück) auf dem Rücksitz eines Mopeds zu transportieren und auszuliefern.
Highlights meines Alltags in Usa River:
- Gelernt, auf der linken Straßenseite Auto zu fahren und ins Auto zur Fahrerseite von rechts einzusteigen.
- Einen Straßenhund mit 3 Welpen in meinem Garten zu finden und plötzlich Hundemama zu sein.
- Die soziale Kontrolle auf dem lokalen Markt zu erleben: Sobald ein Mann etwas aufdringlich wurde, haben alle Marktfrauen im Umkreis ihn lauthals zu Recht gewiesen.
- Afrikanische Kitchen-Party: Feier anlässlich einer Hochzeit. Es ist die Feier der Braut, und diese bekommt ihre Aussteuer von den Gästen geschenkt. Gäste sind selbstverständlich nur Frauen der Verwandtschaft und Freundinnen.
- Einen afrikanischen Kindergeburtstag mitzuerleben.
- Meinen Geburtstag im Dezember zum ersten Mal bei Sonnenschein unter freiem Himmel feiern zu können.
Ausflüge und Touren
Neben meiner Arbeit im Büro, hatte ich die Gelegenheit auch viel vom Land Tansania zu sehen:
An einem Wochenende fuhr ich nach Moshi. Dies ist eine kleine gemütliche, einfache Stadt und meist Ausgangspunkt für Kilimanjaro-Besteigungen. Bergsteiger, die über die Machame- oder Lemosho-Route den Berg erklimmen, starten ab Moshi. Dort besuchte ich auch meinen Kollegen Achim, der sich von hier aus um all unsere Kunden, die auf den Berg möchten, kümmert. Vielen Dank noch für die Einladung zu Spagetti-Bolognese, die super lecker war.
Ein anderer Ausflug führte mich nach Nairobi, in die quirlige Hauptstadt Kenias. Wir fuhren mit dem Shuttlebus ca. 7 Stunden über den Grenzort Namanga nach Kenia. Nach schon recht langer Zeit im friedlich ländlichen Arusha war Nairobi schon fast ein Schock, mit all dem Vekehr, vielen Geschäftsleuten und dem Trubel.
Zwischen Arusha und Moshi liegen mitten in staubigem Gebiet heiße Quellen, genannt „Maji Moto“. Es war himmlisch in das klare türkisene Wasser zu springen. Auch die Jungs der umliegenden Dörfer waren hier zahlreich vertreten und planschten im kühlen Nass – ohne Schwimmkenntnisse und ohne Angst.
Im Oktober nahm ich an einer unserer Campingsafaris teil, der „Tanzania – The Wild Side“, einer 7-tägige Campingsafari im Norden Tansanias mit folgender Route: Tarangire Nationalpark, Lake Natron, Serengeti Nationalpark, Ngorongoro Krater, Mto wa Mbu. Wir sahen viele viele wilde Tiere, vor allem Löwen und sogar 5 Leoparden. Durch die Hyänen, die nachts um unser Zelt spazierten, lies ich mich etwas in meiner Nachtruhe stören. Es war aber ein einmaliges Erlebnis, mein Highlight bei der Tour war der Spaziergang zum Wasserfall in der Nähe des Lake Natrons. Wir wanderten mit unserem Masaai-Guide entlang des Flusses über basaltisches Gestein, bis wir nach ca. einer Stunde unter dem Wasserfall baden konnten.
Mit einem Kollegen zusammen unternahm ich eine Lodge Safari im „Northern Safari Circuit“: Diese Tour brachte uns in fast alle Hotels, die wir für unsere Gäste buchen. Denn nicht die Tierbeobachtungen standen hier für uns im Vordergrund, sondern der Besuch vieler Hotels, Lodges und Tented Camps, um einen guten Einblick über die Leistungen vor Ort zu erhalten.
In einer Zweier-Gruppe ging es Ende Oktober auf den Kilimanjaro. Wir erwanderten den höchsten Berg Afrikas via Marangu Route: Eine 6-Tages-Hütten-Wanderung. Unglaublich war es, am Stella Point zu stehen und zu wissen, dass ich nun die letzten Meter bis zum Uhuru-Peak (5.895 m Höhe), den Gipfel des Kilimanjaros, auch noch schaffen werde. Ja, ich muss zugeben, ich konnte es kaum glauben und meine Freudentränen durfte auch nur unser Guide Saidi sehen, der sich super um uns gekümmert hat.
Der Besuch im Olpopongi Masai Dorf war eine tolle Sache, da wir mit den Masai auf Walking Safari gingen und uns auch die Pflanzenwelt erklärt wurde. Denn in den Nationalparks darf außerhalb der Zeltplätze und Lodges das Auto nicht verlassen werden. Deshalb war es umso schöner, ganz direkt und alleine in der Wildnis zu stehen. Olpopongi ist eine originaltreue Nachbildung eines Masaai Dorfes mit kleinem Museum zum Völkerstamm der Masaai. Hier können Besucher auch in den Lehmhütten übernachten – ein einzigartiges Erlebnis.
Ein paar Tage verbrachte ich auf Sansibar. Unter anderem besichtigte ich die herrliche Altstadt von Stone Town, lernte mehr über die arabische Geschichte dieser Stadt und genoss die Atmosphäre von 1001 Nacht. Außerdem besuchte ich viele Hotels, die wir im Programm haben. Paradiesisch zeigte sich der Strand an der Ost- und Nordküste der Insel. Viel Zeit zum Entspannen am Strand oder für Ausflüge in die schillernde Unterwasserwelt des Indischen Ozeans oder ins Inselinnere blieb leider nicht.
Ziemlich am Ende meines Aufenthalts in Arusha unternahm ich noch einen kurzen zweitägigen Campingausflug in das touristisch kaum genutzte Mkomazi Game Reserve im Nordosten Tansanias an der Grenze zu Kenia. Es gibt im Reserve nur eine Lodge und zwei als Campsite ausgewiesenen Plätze, die weder über Wasser noch Toiletten verfügen – das totale Buschfeeling! Beeindruckt hat mich die Weite der rauen Landschaft der Bush-Savanne mit den Bergen am Horizont. Außerdem haben wir kein einziges Auto oder andere Menschen angetroffen.
Mit zwei Freundinnen wagte ich mich an das Projekt Mount Meru Besteigung: Bei Interesse können Sie HIER gerne den ausführlichen Bericht zu meinem Mt. Meru Trekking lesen.
Mein persönliches Fazit:
Zurück in Deutschland vermisse ich:
- Tansanias wundervolle Landschaft und kräftige Gerüche
- unvergessliche organgefarbene Sonnenuntergänge – jeden Tag!
- den gigantischen Ausblick auf den Mount Meru
- Leute, die sich über den kleinsten Witz 10 Minuten kaputt lachen können
- nicht einen Monat im Voraus für jedes Wochenende schon Pläne zu haben
- Gelassenheit und Spontanität, viel Geduld! Hakuna Matata!
- Freundschaften, die Zuhause nie zustande gekommen wären
Zurück in Deutschland genieße ich:
- kein Antimückenspray auf der Haut
- kein Antiinsektengift in alle Zimmer sprühen zu müssen
- keine Insekten in meiner Wohnung
- immer eine warme Dusche
- eine intakte Infrastruktur
- mit meinem Fahrrad auch nachts alleine durch Freiburg zu radeln
- nah bei meiner Familie und meinen Freunden zu sein