Veröffentlicht am 30. März 2015 von Juan Proll
Strauße – große Augen, kleines Hirn …
… ist die Reaktion der San, den Ureinwohnern des südlichen Afrikas, wenn sie wieder mal erfolgreich einen Straußen gefangen haben. Ihre Falle ist einfach wie genial, macht sie sich doch das Futterverhalten der Strauße zunutze. Wenn sie Steine und lose herumfliegendes Pflanzenmaterial vom Boden picken, laufen sie suchend umher und steuern dabei – wenn das Drehbuch der San befolgt wird – geradewegs auf die Schlinge zu, die so präpariert ist, dass sie sich bei der kleinsten Berührung der Halterung gnadenlos um ihren Hals legt.
Der Köder innerhalb der gelegten Schlinge unterscheidet sich in keiner Weise von ihrem normalen Futter. Und so ist es auch nicht giftig, aber dennoch tödlich.
Die Beschreibungen der San klingen brutal, wenn sie schildern, wie das Tier sich zu befreien versucht, sich dabei die Schlinge aber immer weiter in den Hals hinein schneidet und schließlich den Kopf vom Körper trennt. Ein letztes Mal kann dieser riesige Laufvogel nun davon sprinten, allerdings kopflos und nicht weit. Kein Problem also für die San, es schließlich zu finden und sich darüber zu freuen, dass ihre Augen zwar klein sind, ihr Hirn aber groß.
Das Fleisch wird nun gegessen, das Blut für die Mischung von Farben genutzt, das Leder zu Kleidung verarbeitet und die Sehnen für die Jagd-Bögen, aber auch für die Erstellung von Schlingenfallen verwertet. Der Strauß und seine Eier waren für die San schon immer ein wichtiges Überlebenselixier.
Für den Touristen in Afrika sind die Strauße ein Wahrzeichen des Kontinents. Majestätisch mutet es an, wenn sie gelassen über die Prärie wandern oder vor den Menschen das Weite suchen. Als schnellstes Landlebewesen auf zwei Beinen erreichen sie Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 70 km/h und würden auch Usain Bolt keine Chance auf der Sprintstrecke lassen. Die San haben also recht daran getan, einen anderen Weg der Jagd zu wählen, als nur hinterher zu laufen.
Die Strauße nehmen die San nicht einmal als Bedrohung wahr. Sonst würden sie wahrscheinlich den Kopf in den Sand stecken. Zumindest sind sie ja dafür bekannt. Ich habe das bei Straußen allerdings noch nie beobachten können. Tatsächlich rennen sie eher davon, wenn sie sich bedroht fühlen und das Gefühl haben, gesehen zu werden. Wenn sie liegen und sich noch unentdeckt wähnen oder während sie brüten wählen sie eine stark geduckte Haltung, bei der sie den Hals und Kopf lang und flach auf dem Boden ausstrecken.
Vielleicht entsteht der Eindruck mit dem Kopf im Sand aber auch gerade dann, wenn ein Strauß an brütend heißen Tagen beim Futtern in der Ferne zu sehen ist und sich das Haupt in der flirrenden Luft über dem heißen Steppenboden „auflöst“. Oder aber es hat tatsächlich …, trifft alles andere nicht zu …, erst wenige Sekunden zuvor seinen Kopf nicht mehr rechtzeitig aus der Schlinge ziehen können.
Ja – große Augen, kleines Hirn – aber sie gehören dennoch zu meinen Lieblingstieren in Afrika.