Veröffentlicht am 28. Dezember 2015 von Juan Proll
Der Himmel so nah und doch so fern – das Sternenmeer über dem südlichen Afrika –
Ich weiß nicht, ob ich schon als Kind der Faszination der Sterne verfallen wäre, hätte ich nur zu Weihnachten ein Teleskop geschenkt bekommen. Schaute ich ansonsten mal durch eins hindurch, sah ich zwar ein helleres Leuchten am Nachthimmel, aber ein Funkeln in meinen Augen erzeugte es nicht.
Meine Kindheit ist längst vergangen, doch geblieben sind die Lichter in den Galaxien. Längst bin ich erfüllt von der Faszination der Sterne, gewachsen über die Jahre durch ein zunehmendes, wenngleich bescheiden gebliebenes Verständnis von Ereignissen in der unendlichen Weite unseres Universums.
Als Stadtkind war es schwierig genug, mal ohne Straßen- oder Häuserbeleuchtung um mich herum einen freien Blick in die Glitzerwelt jenseits des Planeten Erde zu bekommen. Meine Reisen haben da viel verändert. Vor allem in der südlichen Hemisphäre gibt es so viele wundervolle Plätze, die in tiefer Dunkelheit getaucht sind und überwältigende Ansichten auf das Sternenmeer über uns freilegen.
Es heißt, dass man von der Südhalbkugel viel mehr Sterne beobachten kann als von der Nordhalbkugel. Ich bin gerne bereit, es zu glauben. Die Aussicht bei klarem Nachthimmel ist gigantisch. Es ist, als schaute ich in einen Schwarm von Tausenden von Glühwürmchen, die sich über mir formiert haben als wären sie Teil einer künstlerischen Installation zum Thema „Lichterwelten“. Über den Savannen erscheint dieser Anblick grenzenlos, … ein Panorama soweit das Auge reicht.
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich das Sternbild des Orions oder des Skorpions sehe. Sie wechseln sich mit ihrer Präsenz gerne ab. So ist Orion von Oktober bis Mai und Skorpion von Mai bis Oktober im Süden zu Besuch. Beide sind mir inzwischen sehr vertraut. Sie zu sehen nimmt der Nacht die Anonymität. Während man beim Orion noch genau hinschauen muss, um den Jäger im Sternbild zu erkennen, ist der Skorpion leicht zu identifizieren. Eigentlich genau der richtige Einstieg für den ungeübten Sternengucker.
Auch die Antares-Sonne, ein so genannter „Roter Riese“, ist im Sternbild des Skorpions leicht auszumachen. Rote Riesen zeigen an, dass sich eine Sonne dem Ende ihres Lebenszyklus nähert, sich daher – vereinfacht gesagt – noch einmal in Größe und Hitze „aufbäumt“, dabei mehr und mehr aber ihre Kraft verliert und schließlich nur noch im schönen Rotorange zum „Glühen“ kommt, bevor sie Auflösungserscheinungen zeigt, Materie verliert und zu guter Letzt zu einem kleinen „Weißen Zwerg“ verkümmert.
Wer weiß: vielleicht ist Antares inzwischen ein weißer Zwerg. Immerhin liegt diese Sonne rund 600 Lichtjahre von uns entfernt, … eine nur schwer vorstellbare Distanz. Doch ist es eine der wenigen Dinge, die ich schon früher gut verstanden habe: 600 Lichtjahre bedeutet, dass das heute zu sehende Licht vor 600 Jahren von der Antares-Sonne auf die (direkte) Reise zur Erde geschickt wurde und diese lange Zeit brauchte, um uns zu erreichen, … trotz einer Geschwindigkeit des Lichts von sagenhaften 300.000 km pro Sekunde. Antares ist einfach irre weit weg. Ein Lichtjahr allein entspricht etwa 9 Trillionen Kilometer Entfernung. Das ist selbst für Hape Kerkeling zu weit. Wenn wir heute also auf Antares schauen, sehen wir nur ein bereits 600 Jahre altes Abbild. Es ist ein Blick in die Vergangenheit. Die Gegenwart kann dort inzwischen eine ganz andere sein. Doch dazu erfahren wir auch erst mehr in 600 Jahren.
Ja, das Mysterium des Alls liegt in seiner Größe, den Distanzen, dem Alter und den Konstellationen. Manchmal wirkt es wie ein geordnetes Chaos dort oben, mit Himmelskörpern, die in Reih und Glied zu stehen scheinen und säuberlich erkennbar sind. Manchmal verschwimmen die Umrisse zu milchigen Suppen und nebeligen Schwaden. Aber selten ist es so wie es scheint. Ob wir auf Gaswolken schauen oder einfach nur viele leuchtende Himmelskörper in zu kurzer optischer Entfernung zueinander sehen, ob es sich um eine Sonne, einen Planeten oder einen Mond handelt, ist für das einfach ausgestattete Auge in der Regel nicht wirklich zu unterscheiden. Oh, du trügerische Wahrnehmung, die du manchmal aber auch nicht wahrnehmen willst. Die Geschichte ist voll davon.
Galileo Galilei musste öffentlich Reue bekennen für die damals frevelhafte Behauptung, dass die Erde um die Sonne und nicht die Sonne um die Erde kreise. Die Kirche sah damals anders und verstand die Erde als den Mittelpunkt des Universums, um den sich alles drehte.
Und es brauchte Aristoteles, der als erster Wissenschaftler nicht nur vermuten sondern auch belegen konnte, dass die Erde rund und nicht flach war. Er erkannte es an den rundlichen Schatten, welche die Erde bei einer Eklipse auf den Mond warf. Und er realisierte, dass nicht alle Sterne von überall zu sehen waren.
So kann man z.B. den Nordstern nicht von der Südhalbkugel sehen. Die besondere Attraktion hier unten ist dafür aber das Kreuz des Südens. Mit ihm und den Sternen Alpha- und Beta-Centaurus kann man zunächst den „himmlischen“ Südpol bestimmen und schließlich den „terrestrischen“, wahren Südpol orten. Wie das geht, kann ich euch aber besser zeigen, wenn ihr irgendwann einmal ins südliche Afrika reist und meine Gäste seid. Vorausgesetzt das Kreuz des Südens taucht nicht erst zu bester Schlafenszeit auf und vorausgesetzt, ihr seid angesichts atemberaubender Aussichten überhaupt noch an solchen Kleinigkeiten interessiert.