Veröffentlicht am 16. Januar 2023 von Juan Proll
Nyerere Nationalpark oder Selous Game Reserve in Tansania – lohnt sich ein Besuch?
Lange Zeit galt das Selous Game Reserve im Südosten Tansanias als der besondere Geheimtipp für eine unberührte und tierreiche Wildnis. Im Jahr 2019 wurde ein großer Teil dieses Schutzgebietes zum Nyerere Nationalpark umfunktioniert. Nyerere und das restliche Selous grenzen nun aneinander. Nyerere Nationalpark oder Selous Game Reserve? Was sie jetzt unterscheidet, erfahrt ihr im heutigen Blog.
Interessanterweise liest man auf sehr vielen webbasierten Reiseportalen, dass das Selous Game Reserve in Nyerere Nationalpark umbenannt wurde. In der Tendenz klingt es so, als hätte sich außer dem Namen nichts geändert. Dieser Eindruck ist aber falsch, denn neben dem Nyerere Nationalpark gibt es immer noch ein getrenntes Selous Game Reserve. Es handelt sich also nicht allein um eine Namensänderung. Es darauf zu reduzieren stiftet daher eher Verwirrung statt Klarheit. Blicken wir doch erst einmal einen Blick zurück auf die Geschichte des Game Reserve und die Gründe für die Trennung der Gebiete?
Am Anfang war das Selous Game Reserve
1922 führt die britische Protektoratsregierung vier Wildschutzgebiete zusammen und nennt es das Selous Game Reserve. Das große Vorkommen an Tse-Tse-Fliegen (Überträger die „Schlafkrankheit“) verhindert die übermäßige Ansiedlung von Menschen in dieser Region. Zudem sorgen staatlich angeordnete Umsiedlungsaktionen für weitere Naturbelassenheit im Reservat. So bleiben weite Teile der Landschaft unberührt und die Tiere unter sich. 1974 kommt ein weiteres Areal hinzu und vergrößert das Selou Game Reserve auf über 50.000 km2. Es ist damit größer als Dänemark, die Niederlande oder die Schweiz. Die offizielle Einführung des Jagd-Tourismus 1965 und des Foto-Tourismus 1968 helfen mit der Finanzierung des Schutzgebietes. 1982 erhält die Selous Game Reserve UNESCO-Weltnaturerbe-Status.
Das Selous Game Reserve vor dem Ende
Doch der konsequente Aufbau des riesigen Wildschutzgebietes beginnt bald zu bröckeln. Innerhalb des Selous Game Reserves befinden sich Uranium-Depots. Global operierende Unternehmen sind für die Abbaurechte zu großen Investitionen bereit. Um den Weltnaturerbe-Status zu umgehen, beantragt Tansania bei der UNESCO die Anerkennung der Ausgrenzung einer knapp 200 km2 großen potenziellen Bergbau-Fläche. Heftige Proteste von Umweltschutzorganisationen folgen. Sie weisen auf die lauernden Gefahren hin, die bei der geplanten Tage-Abbau-Mine durch radioaktiven Staub, Abfall und Abwasser bis tief in das Schutzgebiet hineinreichen können. Dennoch stimmt die UNESCO 2012 der Opferung des geschützten Wildgebietes im Süden des Selous zu. Die Uran-Mine liegt damit jetzt außerhalb des UNESCO-Weltnaturerbes.
Es folgen die Jahre der sterbenden Elfenbein- und Nasenhornträger. Obwohl das riesige und schwer durchdringliche Gebiet die Tiere zusätzlich schützen soll, gehen vor allem mehrere zehntausend Dickhäuter zugrunde. Die großen Elefanten- und Nashornpopulationen ziehen Wilderer an, die zu erheblichen Dezimierungen der Bestände beitragen. Die UNESCO erklärt daraufhin folgerichtig das Selous Game Reserve zur „Welterbestätte in Gefahr“.
Und schließlich stehen auch Damm- und Erdölprojekte im Raum. So startet Tansania 2019 entgegen aller Proteste von Umweltverbänden und auch gegen die Warnungen und Erwartungen der UNESCO den Bau des „Julius Nyerere Hydropower Plant and Dam“ Projekts. Riesige Waldschneisen entstehen, Infrastruktur für die schweren Baufahrzeuge und für die Arbeiter*innen werden geschaffen.
Die Stauung des Flusses verändert das Ökosystem. Ob sich die folgenden Anpassungen der Natur positiv oder negativ auf die Tierwelt auswirken bleibt abzuwarten. Das betrifft ebenfalls den weiteren Flusslauf hinter dem Staudamm, wo auch unzählige Krokodile und Flusspferde zuhause sind.
Nyerere Nationalpark – Ein Phoenix aus der Asche?
Der inzwischen verstorbene Präsident Magufuli verkündet am Tag der Grundsteinlegung des Stausee- und Wasserkraftwerk-Projekts die Gründung des Nyerere Nationalparks. In seiner Ansprache begrüßt er zunächst den Baustart des Energiestandorts und bemängelt dann die finanzielle Effektivität des Selous Game Reserves. Das Schutzgebiet sei wirtschaftlich nicht fähig, über den Tourismus das Land zu fördern. Die einzigen touristischen Aktivitäten dort seien Jagdsafaris und einige Fotosafaris. Daher ordnet er das Ministerium für natürliche Ressourcen und Tourismus an, das Selous-Wildreservat in zwei Naturschutzgebiete zu teilen. Mehr als die Hälfte der bestehenden Fläche sollen zu einem Nationalpark aufgewertet werden, „… um das Wachstum des Tourismus und den Schutz der Tierwelt anzukurbeln“, so Magufuli. Die verbleibende Zone behält weiterhin den Selous Game Reserve Status.
So entsteht 2019 per Dekret das neue Wildschutzgebiet, ohne den in Tansania üblichen Richtlinien zur Ernennung eines Nationalparks zu folgen. Der 1999 verstorbene Gründungspräsident des Landes, Julius Nyerere, steht Pate für den neuen Namen. Damit fällt dieser Teil des Schutzgebietes in die Kontrolle der staatlichen Nationalparkbehörde Tanzania National Parks (TANAPA). Über 30.000 km2 Fläche, einschließlich des Stausee- und Kraftwerk-Projekts, wechseln damit die zuständigen Verantwortlichen. Ob diese Maßnahme mehr als nur ein politischer Schachzug ist, ist fraglich und wird sich zeigen. Die Ruhe und Natürlichkeit der UNESCO-Welterbestätte ist jedenfalls erst einmal mindestens wieder in Gefahr.
Nyerere Nationalpark oder Selous Game Reserve – ein Überblick
Der Nyerere Nationalpark zieht sich nach derzeitigen Erkenntnissen von Nord nach Süd an der westlichen Seite des alten Selous Game Reserve entlang. Offizielle Karten über die neue Aufteilung des alten Selous Game Reserves gibt es nach wie vor noch nicht. Der touristisch am stärksten besuchte Teil nördlich des Rufiji Flusses zählt aber zum Nationalpark. Hier befinden sich auch die beiden Zugangstore für Anreisende mit dem Geländewagen: das Mtemere Gate im Osten und das Matambwe Gate im Westen. Diese beliebte Safari-Gegend ist allerdings nur ein Bruchteil der Gesamtfläche von Nyerere. Der weit größere Teil südlich davon bleibt nahezu unzugänglich und seine zukünftige Nutzung ist noch ungewiss.
Östlich vom Nyerere Nationalpark gelegen sind die Überreste des nun auf rund 18.000 km2 geschrumpften Selous Game Reserves. Es ist damit flächenmäßig immer noch leicht größer als die Bundesländer Schleswig-Holstein oder Thüringen. Als Schutzgebiet ist es also weiterhin sehr wichtig. Das Hauptgeschäft in diesem Teil des Selous ist nach Vorstellungen der Regierung weiterhin der Jagd-Tourismus. Daher bleibt das Reservat für eine Reihe von privat gepachteten Jagdkonzessionen reserviert, die auf die Wildjagd spezialisiert sind. Allerdings eignet sich ein Abschnitt des Selous Game Reserves entlang der Flüsse Rufiji, Ulanga und Matandu auch gut für den Foto- und Ökotourismus. Hierfür werden gerade Nutzungspläne entworfen. Diese Entwicklungen bleiben abzuwarten.
Unklar bleibt, was mit den verbleibenden rund 2.000 km2 der alten Gesamtfläche passiert ist. Vielleicht dienen sie der Bildung einer Enklave innerhalb des gesamten Schutzgebietes für den neuen Stausee mit seinem Hydro-Kraftwerk. Oder sie werden für andere wirtschaftliche Projekte herausgeschnitten.
Beste Reisezeit für den Nyerere Nationalpark und das Selous Game Reserve
Das Klima ist in beiden Schutzgebieten warm bis heiß und feucht. Die Monate von Oktober bis März sind die wärmeren, die von Juni bis August die kühleren. Der Regen fällt bevorzugt von Ende November bis Mai. Die beste Reisezeit für einen Besuch sowohl im Nyerere als auch im Selous sind die Monate Juli bis November. Sie gelten ebenso als die beste Jahreszeit für Wildbeobachtungen.
Bisher waren unbefestigte Straßen immer auch ein Problem und Hindernis in der Regenzeit. Nach bisherigen Ankündigungen der Regierung soll sich das im Nyerere Nationalpark aber irgendwann ändern. Wetterfeste Straßen sollen ein regenunabhängigeres Hineinfahren möglich machen. Das ist aber noch Zukunftsmusik.
Nyerere Nationalpark oder Selous Game Reserve – lohnt sich eine Safari?
Der Rufiji-Fluss prägt maßgeblich die nördliche Landschaft des Nyerere. Noch schlängelt er sich quer durch den Park auf seinem Weg zum Indischen Ozean und speist mit seinem Wasser zahlreiche Seen, die für die Tier- und Pflanzenwelt überlebensnotwendig sind. Durch die natürlichen Gegebenheiten können die Besucher*innen erstklassige Tierbeobachtungen vom Jeep aus, auf Bootstouren oder Wanderungen genießen. Derzeitige Ausnahme ist allerdings das riesige Baugebiet für den Stausee und das Kraftwerk. Aber die Tierwelt ist reichlich. Zu sehen sind Elefanten, Spitzmaulnashörner, Büffel, Löwen, Leoparden, Tansanias größte Anzahl an Wildhunden und Flusspferden. Aber auch Krokodile, Giraffen sowie Rappenantilopen und die auf Ostafrika beschränkten Nyasa-Gnus leben hier. Eine Zugabe bietet die Szenerie um den Tagalalasee herum, die zu den schönsten im Park zählt.
Das Selous Game Reserve beeindruckt durch eine große Vielfalt an Lebensräumen für die Tierwelt. Darunter befinden sich Miombo-Wälder, offenes Grasland, Akazien-Savannen, Flusswälder und Sümpfe. Man spürt regelrecht die natürlich laufenden ökologischen und biologischen Prozesse um einen herum. Auch in dieser Landschaft gibt es Flüsse, wie den Rufiji, Ulanga und Matandu, die abwechslungsreiche Panoramen bieten und zu Bootssafaris und Angeltouren einladen. Auch die im Nyerere Nationalpark erwähnten Wildtiere sind hier, wenn auch nicht in einer so großen Dichte.
Fazit
Die Frage „Nyerere Nationalpark oder Selous Game Reserve“ präsentiert sich vielschichtig. Zunächst einmal: Es sind zwei unterschiedliche Schutzgebiete, die nur eine gemeinsame Vergangenheit eint. Ihre Trennung voneinander ist noch jung, ihre Profilierung in der Zukunft noch ungewiss. Wichtig ist der Schutz des Welterbes sowohl im Nationalpark als auch im Game Reserve. Die Erhaltung der Natur- und Tierwelt wird sicher über zukünftige Safari-Vorlieben unter Touristen mitentscheiden. Derzeit spricht für Foto-Touristen eher ein Besuch im Nyerere Nationalpark, weil einfach die bessere Infrastruktur vorhanden ist. Auch sind dort tendenziell mehr Tiere zu sehen – bisher jedenfalls. Es lohnt sich, die Entwicklungen im Blick zu behalten und in ein oder zwei Jahren ein Update nachzuliefern.
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