Veröffentlicht am 3. August 2015 von Juan Proll
Marmite – Mar … what
Ich werde nie den Moment vergessen, als ich das erste Mal „Marmite“ probierte. Ja, ich muss es so deutlich sagen, ich hätte fast quer über den Tisch gekotzt. Selbst ein Glas Maggi, angereichert mit Knoblauch, Ingwer und Zwiebeln lässt sich leichter trinken, als dieses ekelhafte Zeug schlucken.
Die Gruppe von Jungs, die um mich herum saß und mich zu diesem masochistisch anmutenden Akt verführte, brach in schallendes Gelächter aus. Aber wie konnte ich auch Verdacht schöpfen, sah ich sie doch genüsslich in ihre Brote beißen, die so dick damit beschmiert waren wie Nutella-Brötchen an deutschen Frühstückstischen. Ich kann euch nicht sagen, wie schwer es war, diesen Geschmack wieder loszuwerden. Am liebsten hätte ich gleich meinen gesamten Mundapparat in die Waschmaschine gesteckt.
Ihr seht … noch heute, über drei Jahre später, bin ich immer noch irgendwie traumatisiert und frage mich jedes Mal aufs Neue: „Wie kann man diesen Schmier nur mögen?“ Und glaubt es oder nicht, aber hier unten auf der Südhalbkugel – insbesondere in Südafrika – gibt es erstaunlich viele, die Marmite sogar lieben. Dieses aus Bierrückständen hergestellte Hefeextrakt scheint tatsächlich nicht nur meinen Gaumen zu spalten sondern auch die Geschmäcker. Treffend also, dass der Markeneigentümer Unilever das Produkt mit dem Slogan „Love it or Hate it“ (Liebe es oder Hasse es) vermarktet.
Der Geschmack und auch der Geruch sind schwer zu beschreiben: Riecht es nach gegorenen Käsefüßen? Oder nach abgestandenem Öl? Vielleicht nach einem Hefeweizen, in dem Zigarettenstummel entsorgt wurden und das bereits 10 Tage in der Sonne steht? Ist es überhaupt ein Lebensmittel oder doch nur eine Industriepaste? Es schmeckt salzig, bitter, leicht fleischig (obwohl vegetarisch), brühwürfelig, fermentiert und pasteurisiert sowie Feuchtschimmel infiziert und künstlich produziert. Ich würde es bestenfalls als sehr gewöhnungsbedürftig bezeichnen.
„Gewöhnung“ ist tatsächlich eine Erklärung, die vielen Verständnissuchenden in den Kopf kommt, um das Phänomen der Extreme zu erklären, verbunden mit einer kulturellen Komponente. Einer meiner südafrikanischen Kollegen sagte: „Ich bin damit aufgewachsen. Dünn auf Brot aufgetragen, schmeckt es ganz lecker. Meine Mutter hat es sogar medizinisch genutzt, wenn ich z.B. erkältet war. Dann hat sie eine heiße Brühe daraus gemacht.“
Tatsächlich verwenden Liebhaber ihr Marmite so wie wir den Honig: auf Brot, in Suppen und Soßen, in Schmorgerichten, als Zusätze in Tees, Dips für Chips usw. … Ich kenne sogar jemanden, der es wie eine Art Pesto mit seiner Pasta mischt. Auch über den gesundheitlichen Wert streiten sich ein bisschen die Geister. Reich an B-Vitaminen halten es die einen für ein gesundheitlich wertvolles Nahrungskonzentrat. Länder wie Kanada oder Dänemark stellen den Nährwert allerdings in Frage, weil diese Vitamine nur künstlich zugegeben werden.
Wie auch immer – das Produkt wird seit 1902 im Mutterland England hergestellt und hat seitdem viele Länder des englischsprachigen Raums erreicht. Auch Südafrika besitzt eine Produktionsstätte. Während der beiden Weltkriege war es Bestandteil der Essensvorräte der britischen Soldaten. Bei dieser Geschichte muss doch tatsächlich irgendwas dran sein an dem Zeug. Vielleicht werdet ja ihr seine Qualität irgendwann einmal entdecken können und eine echte Gaumenfreude damit haben. Ich wünsche es euch jedenfalls.