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Veröffentlicht am 31. August 2015 von Juan Proll

Heldentag ist Herero-Tag

Am 26. August der vergangenen Woche feierte Namibia seinen alljährlich wiederkehrenden Heldentag. Er geht zurück auf den Kampf gegen die Apartheid und gegen die südafrikanische Regierung, die zwischen 1915 (offiziell ab 1919) und 1989 das damals noch Südwestafrika genannte Namibia kolonialisierte. 1966 war die führende Widerstandsbewegung der SWAPO (South West African People Organisation) längst der Überzeugung, mit friedlichen Mitteln allein die empfundene Tyrannei der Rassentrennung und die Entkolonialisierung des Landes nicht durchsetzen zu können. Sie bildete daher Soldaten für den Guerilla-Krieg gegen die Machthaber aus und richtete dafür Trainingscamps ein.  An jenem 26. August 1966 kam es zum ersten Gegenschlag der Regierungsarmee in Omugulugwombashe. Militärisch gilt diese Schlacht eher als bedeutungslos. Es ist aber der offizielle Beginn eines 23 Jahre lang dauernden Unabhängigkeitskrieges, der die Widerstandskämpfer zu Helden machte und derer nun an jedem 26. August gedacht wird.

Vielleicht nur ein Zufall der Geschichte, aber der 26. August ist gleichzeitig auch der Nationalfeiertag des Herero-Volkes in Namibia. Ein Tag, der bereits seit 1923 jährlich gefeiert wird. Damals wurde ihr Oberhäuptling aller Herero-Stämme, Samuel Maharero, beerdigt. Mit ihm ist eine der tragischsten Geschichten des Landes verbunden. Als das Deutsche Reich 1884 „Deutsch-Südwestafrika“ unter ihr Protektorat nahm und fortan begann, es als Kolonie zu entwickeln, bedeutete es für die dort bereits lange lebenden Völker eine bisher in dieser Dimension und Systematik nie gekannte Entrechtung, Enteignung und sozio-kulturelle Entwurzelung.

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Das Volk der Hereros revoltierte schließlich 1904. Angeführt von Samuel Maharero verliefen die Schlachten zunächst erfolgreich. Doch schon bald setzte das Deutsche Reich alle Hebel in Bewegung, um diesen Aufstand niederzuschlagen. General von Trotha – bekannt für delikate und entschlossene Aufräumaktionen – wurde mit einem verstärkten Heer ins südliche Afrika geschickt und tat, was man von ihm erwartete. In einer Rede vor Herero-Nachfahren zum 100. Gedenktag im Jahr 2004 fasste die damalige deutsche Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wiezcorek-Zeul die Ereignisse folgendermaßen zusammen:

„Ich bin mir der Gräueltaten schmerzlich bewusst: Die deutschen Kolonialherren hatten Ende des 19. Jahrhunderts die Bevölkerung von ihrem Land vertrieben. Als sich die Herero, als sich Ihre Vorfahren dagegen wehrten, führten die Truppen des Generals von Trotha gegen sie und die Nama einen Vernichtungskrieg. In seinem berüchtigten Schießbefehl hatte General von Trotha befohlen, jeden Herero zu erschießen – auch Frauen und Kinder nicht zu schonen. … In der Folge der Aufstände wurden überlebende Herero, Nama und Damara in Lagern gefangen gehalten und zu Zwangsarbeit gezwungen, deren Brutalität viele nicht überlebten. … Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde – für den ein General von Trotha heutzutage vor Gericht gebracht und verurteilt würde.“

Zuverlässige Zahlen über die Größenordnung der Volkszugehörigen vor 1904 gibt es nicht. Man findet Schätzungen zwischen 40.000 und 100.000. Entsprechend bleibt die tatsächliche Menge der Kriegsopfer auf ewig ein Geheimnis. Größere Einigkeit gibt es allein darüber, dass am Ende aller Auseinandersetzungen nur ca. 15.000 Hereros überlebten. Das bedeutet also, dass je nach Rechnung zwischen 62,5% und 85% der Hereros ihren Befreiungskampf mit dem Leben zahlten.

In der Folge des gnadenlos geführten Krieges gegen die Hereros blieb diesen Menschen nur die totale Unterwerfung, der Tod oder die Flucht in die einzig mögliche Richtung: in die Kalahari-Wüste Richtung Botswana. Der Rückweg wurde unmöglich gemacht und so krepierten Tausende an den Folgen von Hunger und Durst auf ihrer Odyssee ins rettende Betschuanaland. Deutsche Soldaten brauchten bei ihrer Verfolgung nur der Spur der Toten zu folgen, neben denen sie vielfach im Sand gegrabene Bohrlöcher bis zu 16m Tiefe fanden – verzweifelt auf der Suche nach Wasser mit den bloßen Händen gebuddelt. Nur ein kleiner Teil überlebte, unter ihnen auch Maharero. Er betrat seine Heimat lebend nie wieder und fand dort erst nach seinem Tod 1923 seine letzte Ruhestätte.

Dagegen finden aber die lebenden Hereros keine Ruhe: Die Demütigung sitzt tief und so verlangen sie von den Deutschen mehr als nur eine Entschuldigung. Sie fordern Reparationszahlungen.

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Doch schon Heidemarie Wiezcorek-Zeul machte damals nach ihrer Rede klar, dass es diese nicht geben wird und argumentierte damit, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts noch keine entsprechenden internationalen Gesetze gab, die eine solche Forderung rechtfertigen würde. Außerdem hieß es, dass Deutschland die höchste Pro-Kopf-Summe im Rahmen der Entwicklungshilfe an Namibia zahle und damit nicht nur einer Volksgruppe sondern der Entwicklungschance des ganzen Landes gerecht werden wolle.

Der 26. August wird auch zukünftig die Erinnerungen lebendig halten, in guten wie in schlechten Zeiten. Ob Heldentag oder Herero-Tag: viele Menschen mussten unter dem Joch der Deutschen und später der Südafrikaner ihr Leben lassen. Nichts woran man sich gerne erinnert fühlt, aber selbstverständlich etwas, woran wir Deutschen denken und wofür wir sensibel sein sollten, wenn wir in Namibia unterwegs sind.