Veröffentlicht am 20. Juli 2015 von Juan Proll
Elefanten klagen gegen die Menschheit
Es ist die Sensationsnachricht des Tages: Auf dem ersten Weltkongress der Elefanten in Botswanas Chobe-Nationalpark versammelten sich letzte Woche rund 400.000 afrikanische und etwa 40.000 asiatische Elefanten aus über 35 Staaten zu einem 5-tägigen Krisen-Gipfel. Eine gemeinsam formulierte Klageschrift reichen sie heute beim Internationalen Gerichtshof für Artenschutz ein.
Hintergrund dieser erstmaligen Zusammenkunft, die wegen der Angst vor Wilderei-Attacken auf ihre Stoßzähne unter höchster Geheimhaltung stattfand, war die Frage, wie der globalen Ausbeutung, Folter und Verstümmelung von Elefanten sowie der Missachtung ihrer Rechte Einhalt geboten werden kann. Weltweit sind diese Dickhäuter die letzten ihrer Spezies. Von über 3 Mio. um 1950 und rund 1,5 Mio. um 1980 sind sie insbesondere durch die Folgen der Wilderei auf den verbliebenen Rest dezimiert wurden.
Die angesetzte Pressekonferenz startet mit einer Gedenkminute an die geschätzten 30.000 – 40.000 jährlich getöteten Artgenossen, die wegen ihres Elfenbeins skrupellosen Wilddieben zum Opfer fallen. Allein in Afrika sind 23 verschiedene Länder für Vorfälle dieser Art bekannt, in Asien 13.
Das Wort ergreift nun Loxodonta Africana, eine der anwesenden Elefanten, die als Augenzeugen von Massakern berichten, in denen sowohl Einzelgänger als auch ganze Elefanten-Herden dahin geschlachtet und ihre Stoßzähne mit einer Axt abgeschlagen oder mit einer Säge oder Machete gekappt wurden.
Loxodonta erläutert: „Anders als beim Fällen von Bäumen bleibt nicht einmal mehr ein sichtbarer Stumpf übrig. Die Killer setzen am Fundament an, dort wo die Zahnbasis am Kiefer zementiert ist. Zu kostbar ist jedes Gramm.“
Dass hierbei rücksichtslos auf Gesichtspartien eingeschlagen oder herumgeschnibbelt wird, ist grausamer Bestandteil dieser Prozedur. Mitunter fehlen ganze Gesichtshälften oder liegt der Rüssel daneben.
„Am Ende sieht man in ein total entstelltes Gesicht, wo die Würde des Elefanten nicht mehr spürbar ist. Es traumatisiert uns, es verängstigt uns, und immer weniger wissen wir, wer unter den Menschen unser Freund und wer unser Feind ist“, fährt Loxodonta fort.
Handelsabkommen und Artenschutzgesetze sowie das große Engagement einiger Menschen und Organisationen finden nach Loxodontas Ansicht „zu häufig nicht die nötige Unterstützung bei der Mehrheit der Menschheit oder werden bewusst und kriminell untergraben“.
Im Namen aller Elefanten drückt Loxodonta ihr Bedauern darüber aus, dass es so viele Menschen gibt, die die Stoßzähne der Elefanten – anstatt sie an den lebenden Tieren selbst zu bewundern – lieber als Elfenbein in Skulpturen, Schmuck, Klaviertasten, Billiardkugeln, Autoarmaturen, Schachfiguren, Amuletten oder religiösen Figuren (Buddha, Jesus, Mutter Maria, …) verarbeitet sehen.
Ihr zur Seite steht Alphas Maximus, ein stattlicher asiatischer Elefant, der ebenfalls deutliche Worte findet: „So wie es Blut-Diamanten gibt, muss man hier von Blut-Elfenbein sprechen. Jeder, der in irgendeiner Weise an diesem Geschäft beteiligt ist, sei es als Jäger, Händler oder Käufer, hat das Blut rücksichtslos getöteter Elefanten an seinen Fingern kleben und handelt illegal.“
Aufgrund der erschreckenden Zahlen hinsichtlich der fortschreitenden Reduzierung der Elefanten-Populationen und der ungebremsten Jagd auf ihre Art, angesichts des wachsenden Eindrucks, dass die Menschheit sich mehrheitlich entweder in aktiver Beteiligung am Handel oder in passiver Ignoranz etabliert, reicht das Volk der Elefanten nun eine Klage gegen die Menschheit beim Internationalen Gerichtshof für Artenschutz ein.
„Genug ist genug“, sagt Alphas, „wir wollen nicht so behandelt werden und auch nicht in wenigen Jahren ausgestorben sein. Wir klagen die Menschheit an, weil sie insgesamt zu wenig dafür tut, es zu verhindern.“
Zur gleichen Zeit während der Gipfel-Tage: Immer größere Mengen von Touristen in den großen Safari-Regionen Tansania, Kenia, Uganda, Zambia, Zimbabwe, Namibia und Südafrika äußern ihren Frust darüber, seit Tagen keine Elefanten zu sehen. Sie haben viel Geld gezahlt, um den weltgrößten Landtieren in freier Wildbahn zu begegnen und müssen nun enttäuscht wieder abreisen. Ein Vater sagt: „Wir haben lange darauf hin gespart, hier her zu fliegen und unseren Kindern eine freie Tierwelt zu zeigen. Doch ohne Elefanten ist sie nicht vollständig. Wo auch immer sie stecken … ich hoffe, es gibt sie noch und ich muss zukünftig nicht auf ein Buch zurückgreifen, um meinen Kindern oder Enkelkindern einen Elefanten zu zeigen.“
Wie kann man bei alledem noch ruhig schlafen? Getrieben wälze ich mich im Bett hin und her. Ich hoffe, so schnell wie möglich aus diesem Alptraum aufzuwachen, hoffentlich noch bevor der letzte Baum gefällt und der letzte Elefant getötet wurde …