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Veröffentlicht am 3. Januar 2022 von Juan Proll

Desmond Tutu – Ein Mensch für die Ewigkeit

Südafrika und die Welt trauern um Desmond Mpilo Tutu – Stimme Afrikas, Kämpfer gegen die Apartheid, Verfechter von Freiheit und Gerechtigkeit, moralischer Kompass seiner Heimat, Vater einer Nation und Mensch mit „Ubuntu“. Er war einer der schillerndsten Persönlichkeiten der modernen Zeit, ein würdiger Träger des Friedensnobelpreises und ein enger Freund von Nelson Mandela. Ein Nachruf.

Desmond Tutu Südafrika Skoll Foundation
Flickr/Skoll Foundation
Desmond Tutu bei einer Pressekonferenz 2011

Sein Tod im Alter von 90 Jahren überschattet die Weihnacht 2021 in Südafrika und hätte doch zu keinem Zeitpunkt besser gepasst. Desmond Tutu verkörperte den Geist der Weihnacht wie kaum ein anderer: Er war die menschliche Inkarnation des besinnlichen Beisammenseins, des Verzeihens, der Freude und der Hoffnung. Sein Lächeln war ansteckender als jegliche Corona-Variante je sein könnte.

Ich hatte mehrmals das Glück, ihm begegnen zu können – auf der Straße, im Theater und in der St George’s Kathedrale von Kapstadt. Hier war er zwischen 1986 und 1996 der erste Schwarze Erzbischof der anglikanischen Kirche in Südafrika, ein Schwarzer und hochkarätiger Würdenträger in einem von Weißen regierten Land, wo Schwarze als Menschen dritter Klasse gesehen und behandelt wurden. Das an sich war bereits eine Kampfansage.

Mir war es unmöglich, mich seines Charmes zu entziehen: „Eine Person ist eine Person durch andere Personen“, war er der Überzeugung, und wann immer ich ihn sah, konnte ich ihn in mir spüren. Das erste Mal von Angesicht zu Angesicht durfte ich ihn 2014 bei der Eröffnung einer Fotoausstellung von Sumaya Hisham in der St George’s Cathedral in Kapstadt erleben. Sie konnte Tutus öffentliches Leben gut 5 Jahre fotografisch bei seinen Gebeten, seiner Arbeit und seinen Pausen begleiten. Die einzigartigen Bilder, die entstanden, zeigen ihn in all seiner Bescheidenheit, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft: alte Menschen, die er in den Arm nimmt, oder Kinder, denen er aus einem Buch vorliest.

Während der Vernissage war er so umtriebig, wie man ihn kennt. Er scheute kein Gespräch. Für die Menschen Südafrikas ist Desmond Tutu ein Mann des Volkes. Sie lieben ihn, suchen seine Nähe, freuen sich über den Austausch mit ihm und mögen es vor allem, mit ihm zusammen zu lachen. Ich brauchte an diesem Nachmittag nicht einmal persönlich mit ihm zu sprechen und hatte nach dem Event dennoch das Gefühl, dass wir alle in einem entspannten und gleichsam bedeutenden Dialog waren. Er war fast immer imstande, den Menschen um ihn herum schnell das Gefühl zu geben, willkommen zu sein.

Desmond Tutu Sumaya Hisham
Sumaya Hishams Fotoausstellung in Kapstadt: 5 Jahre lang begleitete sie Desmond Tutus öffentliches Leben fotografisch

Einer der Insidertipps waren Tutus Freitagmorgen-Messen. Auch nach seiner Zeit als Erzbischof und schon weit über 80 Jahre alt hielt er – wenn es seine Termine und später vor allem sein Gesundheitszustand erlaubten – in den Katakomben der Kathedrale vor den Toren des wunderschönen Company’s Garden seine Andachten. Teilnehmen durften alle, die dabei sein wollten. Die einzige Hürde: es begann bereits um 6.00 Uhr in der Früh. Ich mochte vor allem die Atmosphäre dort unten, wo wir in einer Weise zusammensaßen, die uns Anwesenden erlaubte, sehr viel leichter Kontakt miteinander aufzunehmen. Es gab schon auch Gebete und Gesang. Aber Desmond Tutu nutzte vor allem die Möglichkeit, dass Menschen sich kennenlernten. Neue Teilnehmer*innen fragte er, woher sie kommen und was sie machen. Je nach Antwort hatte er Ideen für Kontakte zur weiteren Vernetzung. Oder aber er erzählte Geschichten von seinen täglichen Begegnungen und besonderen Erlebnissen. Es war so herrlich unkonventionell und informell, dass ich am liebsten dabei einen Kaffee getrunken und eine Kerze angezündet hätte.

St Georges Cathedral
Foto: Flickr/Matt Kiefer
Die St George‘s Kathedrale, in derer Katakomben Desmond Tutu regelmäßig Andachten hielt.

Aber auf den Kaffee musste man damals nicht verzichten, denn anschließend ging es in der Regel in einer kleineren Runde zum Frühstück in sein liebstes Kaffeehaus. Leider nicht an diesem Morgen, als ich dabei war. Zu gerne hätte ich dort, wie er, sein Lieblingsgetränk, einen Beeren-Smoothie, bestellt und mit ihm zusammen angestoßen.

Desmond Tutu Kapstadt verstorben
Company’s Garden in Desmond Tutus Heimatort Kapstadt (hier mit dem Parlamentsgebäude zu sehen). In der Kathedrale vor Company’s Garden hielt der Friedensnobelpreisträger und emeritierte Erzbischof aus Südafrika viele Jahre hinweg Andachten.

Ein besonderer Moment war für mich auch, bei der Premiere seiner Dokumentation „Children of the Light“ (Kinder des Lichts) in Kapstadts Artscape Theatre in der Reihe vor ihm zu sitzen. In seiner Begleitung waren seine Frau Leah, seine Tochter Mpho und auch seine Fotobiographin Sumaya dabei. Während ich vorne auf der großen Leinwand die bewegte und erschütternde Geschichte Südafrikas entlang des Lebens Tutus vor Augen hatte, saß hinter mir leibhaftig der Filmheld und flüsterte mit seiner Familie.

Vor mir sehe ich, wie der junge Desmond in einer segregierten Gesellschaft aufwächst, in der Stadt von Weißen angepöbelt und attackiert wird. Ich sehe seinen Weg zum Lehrer in einer Zeit, in der nun die Apartheid die Ideologie und Politik des Staates ist und in der das Gesetz der Bantu-Erziehung die Entfaltungsmöglichkeiten der Schwarzen ganz auf die Bedarfe der Weißen einschränkt. Dann zeigt die Dokumentation auch Tutus Weg in die Rolle des Priesters und späteren Erzbischofs von Kapstadt. Parallel dazu zeichnet sie seine zunehmende Bedeutung im Widerstand gegen die Apartheid und ihrer sogenannten „Rassentrennung“ nach und wie dies zur Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis im Jahr 1984 führt.

Je mehr ich hinschaute, desto mehr schnürte es mir den Hals zu, spürte ich die Bedrohung des Weißen Regimes, fühlte ich die Unfreiheit der Schwarzen und litt ich unter extremer Ohnmacht und Hilflosigkeit bei der Frage, wie sich solche Lebensbedingungen auflösen lassen. Doch dann kommt die Zeit Nelson Mandelas, seine Freisetzung aus dem Gefängnis und der Beginn einer öffentlich deutlich wahrnehmbaren Männerfreundschaft zwischen den beiden Ikonen der südafrikanischen Befreiungsbewegung. Mandela wird 1994 erster Schwarzer Präsident des erstmals demokratisch lebenden und wählenden Südafrikas. Was für ein gigantischer Moment.

Desmond Tutu übernimmt daraufhin auf Bitten Mandelas den Vorsitz der eingerichteten Wahrheits- und Versöhnungskommission und bricht in den Anfängen seiner neuen Aufgabe unter Tränen zusammen, weil die Erzählungen der Täter*innen einen Grad der Verachtung menschlichen Lebens und ihrer Rechte wiedergeben, die er einfach nicht ertragen kann.

Genau dieser Mann von der Leinwand saß nun hinter mir, live und in Farbe. Aber eben nicht als Schauspieler, der für einen 90-minütigen Film in eine Rolle geschlüpft war, sondern als lebender Superheld im Realformat: ein kleiner Mann ganz groß!

Nelson Mandela beschrieb Desmond Tutu einmal in einer Weise, die für mich am besten die Essenz Tutus wiedergibt: „… manchmal schrill, oft zärtlich, nie ängstlich und selten ohne Humor, Desmond Tutus Stimme wird immer die Stimme der Stimmlosen sein.“

Desmond Tutu Friedensnobelpreisträger

Ja, Desmond Tutu war ein kraftvoller Mensch, der seine Stärken in den Dienst der Schwachen, Armen und Kranken stellte, ohne sich selbst über sie zu stellen. Gleichzeitig hatte er immer auch das Gemeinwohl im Blick und verstand daher das Ende der Apartheid als sein wichtigstes Anliegen. In der Befreiung der „Nicht-Weißen“ (also den damals als Untermenschen kategorisierten Gruppen der Schwarzen, Farbigen, Inder und Asiaten) aus den Fesseln dieses Systems sah er auch eine Befreiung der Weißen. Denn dort, wo ein ganzes Volk ‚unmenschlich‘ behandelt wird, ‚entmenschlichen‘ sich auch die Herrschenden selbst.

Der Weg in eine ‚menschliche‘ Nach-Apartheid-Gesellschaft, in der Menschen aller Kulturen und Hautfarben gleichberechtigt zusammenleben konnten, war Tutus größter Wunsch. Dafür prägte er den Begriff der „Regenbogennation“, in der sich die Vielfalt widerspiegelte. Zu dieser Gesellschaft passte für ihn weder ein totalitäres Regime noch ein „homophober Gott“.

In diesem vom Geist des „Ubuntu“ geprägtem Ideal des Zusammenlebens, wo sich die Menschen schätzen, offen füreinander sind, ein großes Herz für ihre Familien und Gemeinden haben und sich nicht von der Andersartigkeit bedroht sehen, geschieht das eigentliche Wunder, die eigentliche Weihnacht: die Versöhnung mit den Peinigern der Vergangenheit. Es ist hier, wo sich die wahre Größe eines Nelson Mandela und Desmond Tutu zeigte: in der Fähigkeit, verzeihen zu können – trotz all des unvorstellbar großen Leids, das den Unterdrückten vor und während der Apartheid von den Weißen angetan wurde.

Doch keiner dieser beiden Väter der Nation würde hierfür die Anerkennung für sich allein in Anspruch nehmen. Beide würden sie die Menschen Südafrikas in den Vordergrund stellen, die diese Versöhnung möglich gemacht haben. Dass dies kein leichter Prozess war, machte Desmond Tutu sehr deutlich, als er klarstellte, dass wahre Versöhnung einerseits sicher nicht durch die Leugnung der Vergangenheit erreicht werden kann, es andererseits aber auch nicht leicht ist, sich zu versöhnen, „wenn eine Nation der Bestie in die Augen schaut„.

Desmond Tutu war wie Nelson Mandela ein besonderes Geschenk für Südafrika und für die Welt. Ich vermisse sie beide! Und gleichzeitig mag ich den Gedanken, dass sich die beiden alten Freunde nun im Jenseits wiedersehen und eine schöne Zeit in der Ewigkeit miteinander haben. Dabei habe ich das Bild im Kopf, wie sie gemütlich in einem Café zusammensitzen, sich von alten Zeiten erzählen und dabei so herzhaft lachen, wie sie es zu Lebzeiten gerne getan haben. Wobei Desmond Tutu ohne Frage der lautere von beiden ist.

Goodbye Desmond, Du Inspiration eines ganzen Globus. Yu, u nobuntu!

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