Veröffentlicht am 15. Juni 2020 von Juan Proll
Coronavirus Botswana (Covid-19): Tourismus im Lockdown
Als der Corona-Lockdown in Namibia und Südafrika Realität wurde, erschien Botswana noch wie eine Insel der Glückseligkeit. Als würde eine Corona-Immunitätsglocke das Land vor Infizierungen schützen. Es war eins von nur vier verbliebenen Ländern in Afrika ohne registrierte Covid19-Fälle. Jeden Tag schaute ich gebannt auf die aktuellsten Statistiken. Wieder und wieder blieb die Null stehen. Es dauerte bis zum 30. März, bis das Coronavirus die Verteidigung durchbrach und sich in den Analen der Statistik einnetzte.
Gleich drei Fälle werden der Bevölkerung an diesem 30. März 2020 in einer abendlichen Fernsehansprache des Gesundheitsministers Dr. Lemogang Kwape präsentiert. Ein Tag später der erste Todesfall: Eine 79-jährige Frau, gesundheitlich vorbelastet, verstirbt zwar Tage zuvor. Aber Ihre COVID-19-Erkrankung stellt man offiziell erst posthum fest.
Bis heute ist es bei dieser einen Toten geblieben.
Aktuell (am 14.06.2020) gibt es offiziell 60 bestätigte Corona-Infizierte in Botswana. 26.800 Tests wurden durchgeführt.
Coronavirus in Botswana – Von der Prävention zur Eindämmung
Schon Wochen vor der Verkündung der ersten Corona-Fälle ist die Regierung um Präsident Eric Mokgweetsi Masisi aktiv. Sie setzt auf Prävention. Als ich Anfang März ins Land komme, stellt man mir bereits Anamnese-Fragen und misst meine Temperatur. Die Grenzbeamten tragen Schutzmasken und Handschuhe. Wie anderswo auch rät Botswana seinem Volk zum häufigen Händewaschen. Niesen und Husten möge man bitte in die Armbeuge.
Mitte März verbietet die Regierung denjenigen Menschen die Einreise, die aus definierten Hochrisiko-Ländern der Corona-Pandemie kommen. Deutschland, Österreich und die Schweiz gehören bereits dazu. Ein seltsames Gefühl steigt in mir auf. Brandmarkt mich meine deutsche Nationalität plötzlich zu einem gesundheitlich Geächteten? Bin ich nun die Manifestation des Coronavirus? Gibt es schon einen Suchbefehl?
Seinen aus Hochrisiko-Gebieten rückkehrenden Staatsbürgern verordnet Botswana eine 14-tägige Quarantäne. Auch verbietet die Regierung alle Veranstaltungen und Ansammlungen mit mehr als 50 Beteiligten. Zudem mahnt sie, Abstand zu halten.
Am 24. März schließt Botswana seine Grenzen, nachdem das Nachbarland Simbabwe seinen ersten Corona bedingten Todesfall meldet. Botswana fürchtet sich vor „Border Jumpers“. Gemeint sind hier illegale Grenzübertreter, die sich jeglicher (Corona-)Kontrolle entziehen und vor allem aus dem heruntergewirtschafteten Simbabwe kommen. Die sich schließenden Grenzen empfinde ich immer mehr als einen sich enger ziehenden Gürtel, der mir mehr und mehr meine Bewegungsfreiheit abschnürt. Ich muss hier raus. Aber wohin?
Zum 28. März stellt die Regierung alle nationalen und internationalen Passagierflüge ein. Schachmatt für jeden, der jetzt noch hier ist, aber nicht dazu gehört. Ich selbst bin in jenen Tagen bereits zurück in Südafrika. Für alle Gestrandeten bleibt allein die Hoffnung auf die Rückführungsflüge in die Heimat, organisiert durch die jeweilige Auslandsbotschaft.
Wer nun denkt, er oder sie könne auf diesen Schreck erst mal einen trinken, muss auf alkoholfrei setzen. Der Verkauf von Alkohol ist nun ebenfalls verboten. Wer als Tourist hierher kam, sitzt nun fest in irgendeinem Hotel oder irgendeiner Lodge. Es geht nicht vor und nicht zurück. Es ist wie das Warten auf grünes Licht an einer auf Dauerrot geschalteten Ampel. Und das in einem Land, in dem es zu diesem Zeitpunkt noch keinen einzigen offiziellen Corona-Infizierten gibt.
Als kurze Zeit später Corona in Botswana Wirklichkeit wird, ist der Lockdown quasi schon vollzogen. Neben der Fortsetzung der Präventionsbemühungen geht es von nun aber auch um Eindämmung. Der Präsident erklärt den Notstand, zunächst für 28 Tage. Doch „nicht genug“ denkt er und weitet wenig später diese Zeitspanne auf sechs Monate aus. Es kommt zu weiteren einschränkenden Maßnahmen. Eingefordertes Ziel ist eine „extreme soziale Distanzierung“. Wer nicht in systemrelevanten Berufen arbeitet, muss zu Hause bleiben. Auch Schulen und Kindergärten werden geschlossen.
Das eigene Heim darf man nur noch für die dringlichsten außerhäuslichen Bedürfnisse verlassen. Der Kauf bzw. Verkauf von Tabakwaren gehört nicht dazu und ist untersagt. Mit dem Verbot von Tabakwaren und Alkohol verfolgt die Regierung die Absicht, den Gesundheitszustand seiner Bürgerinnen und Bürger zu stärken. So schwäche Tabak z.B. die Lungen, die dann noch leichter vom Coronavirus attackiert werden könnten. Leider bleiben dabei gesundheitliche Konsequenzen unberücksichtigt, wie z.B. auftretende Entzugserscheinungen aus der plötzlichen Alkohol-Abstinenz.
Botswana in Zeiten der Coronakrise: Sorgen und Nöte der Menschen
Freunde von mir aus Kanada, die vor ein paar Monaten erst nach Botswana kamen, stehen trotz ihrer besonderen Geschichte beispielhaft für das Schicksal vieler Inländer wie Ausländer im Land. Sie recherchiert im Rahmen ihrer Doktorarbeit über die Situation HIV- und Tuberkolose-Erkrankter in Botswana. Er arbeitet auf Stundenbasis an einer Schule als Sportlehrer und Mann für Alles. Ihre drei Kinder unterrichten sie zunächst allein zu Hause. Doch dann stellt sich heraus, dass genau das für die Integration der Kinder zu wenig ist. In Gaborone, der Hauptstadt des rund 2,3 Millionen Einwohner großen Landes, gehen Kinder nicht so einfach auf der Straße spielen. Man begegnet sich nicht so ohne weiteres in der Nachbarschaft. Kontakte werden häufig, wenn man sich nicht privat sowieso schon kennt, über Institutionen wie Schule angebahnt. Die Familie muss also umdenken. Sie entscheiden sich für eine reguläre Beschulung. Kosten: ca. 36.000 US-Dollar für das Schuljahr. Dann kommt der Corona-Lockdown. Der Mann kann nicht mehr in der Schule arbeiten. Die Kinder sitzen wieder zu Hause. Das Schulgeld ist gezahlt. Doch wieder Heimschule, doch wieder isoliert. Und das Geld ist erst mal weg. Ein tragisches Loch im kalkulierten Budget.
Botswanas Hauptstadt GaboroneFoto: Justice Hubane
Diese Familie gehört dennoch zu den Menschen in Botswana, die mit ihren Ersparnissen den Umständen entsprechend gut diese schwierige Zeit überstehen können. Allerdings haben sie keinerlei Anrecht auf irgendeine der staatlich initiierten Corona-Hilfen. Ähnlich ohne Unterstützung geht es der armen Bevölkerung. Da die Corona-Maßnahmepakete vor allem den Steuer zahlenden Unternehmen und Angestellten zugutekommen, fallen viele Notdürftige durch. Ohne irgendwelche Ersparnisse in ihren löchrigen Hosentaschen klagen sie darüber, sich selbst überlassen zu sein, ohne die Freiheiten zu haben, sich kümmern zu dürfen. Es scheint, als wären in Zeiten von Corona selbst die Essenshilfen Opfer der Ausgangssperre.
Das Land ist größer als Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen. Viel Platz für die Menschen hier. Die Armen der Stadt leben von Almosen und Tagelöhnereinkünften. Die Landbevölkerung kämpft häufig mit der Wasserversorgung und den Widrigkeiten eines trockenen Landes in der Halbwüste der Kalahari. Gerade in dieser Zeit der Krise frisst sich wochenlang eine riesige Heuschreckenplage durch die Grasweiden der Rinder und die Maisfelder der existenzbedrohten Bauern im Nordwesten des Landes.
Corona in Botswana und die touristische Großwetterlage
In diesen Corona-Monaten ist der Tourismus im Land weniger als eine Nebensache. Das Coronavirus scheint allmächtig. Es schafft zwar nicht direkt, die Einheimischen ähnlich effektiv durch COVID-19 zu dezimieren wie in Spanien oder Italien. Aber seine enorme Schmelzkraft auf die hart erarbeitete Stabilität der Wirtschaft Botswanas und auf die Produktivität von Afrikas größtem Diamanten-Exporteur ist Furcht einflößend.
Insgesamt ist die Lage in Botswana aber nicht einfach zu überschauen. Die Medien des Landes sind nicht so berichtsfreundlich ausgerichtet wie in den Nachbarländern Namibia und Südafrika. (Mehr dazu in den Blogs „Corona in Namibia“ und „Corona in Südafrika“) Als ständiger Beobachter habe ich das Gefühl, dass die Darstellung der Situation des Landes auf eine möglichst positive Ausrichtung angelegt ist. Viele Herausforderungen bleiben nur angedeutet. Dazu gehört zum Beispiel die Frage der Test-Praxis oder reflektierte Beschreibungen des alltäglichen Lebens unter Corona oder eine detailliertere Übersicht über das Ausmaß in der Wirtschaft. Auch über Perspektiven im Tourismus wird kaum geredet.
Nur so viel ist klar: Die härteste Phase des Corona-Lockdowns mit den meisten Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft dauerte 48 Tage. Erst am 22. Mai beginnt die Regierung, den sehr eng geschnallten Gürtel wieder etwas zu lockern. Sie teilt das Land in 9 Corona-Zonen. Dies ermöglicht bei Bedarf (Anstieg von Infektionszahlen) eine schnellere Umsetzung von Maßnahmen. (So wurde z.B. am Freitag, den 12. Juni, erneut der Lockdown für die Corona-Zone der Hauptstadt Gaborone erklärt.) Innerhalb der jeweiligen Zonen ohne Lockdown braucht man jetzt auch keine schriftliche Erlaubnis mehr, wenn man sich aus dem Haus zu nicht systemrelevanten Einrichtungen begibt. Erlaubnispflichtig ist dagegen der Wechsel in eine andere Corona-Zone. Die Schule wird stufenweise geöffnet. In Einkaufs- und Serviceläden bestehen Masken-, Desinfektions- und Abstandspflicht. Nicht mehr als zehn Kunden dürfen gleichzeitig hinein. Doch zuvor hinterlegen sie ihren Namen, ihre Pass- und Handynummer. Als letzte Hürde müssen sich die Kunden einer Fiebermessung mit einem Infrarot-Thermometer unterziehen. Die Dauer dieser Phase ist situationsabhängig.
Die deutlichste Absage an den internationalen Tourismus besteht darin, dass der nationale und internationale Flugverkehr nach derzeitigem Stand auf unbestimmte Zeit ausgesetzt ist. Allerdings gibt es Ankündigungen, den nationalen Tourismus (flugverkehrlos) ab dem 15. Juni wieder zu öffnen. Hotels und Restaurants dürfen ab 1. Juli folgen. Ob erste Erfahrungen hieraus zu schnellen weiteren Öffnungen führen ist abzuwarten.
Botswana bietet atemberaubende Kalahari-Panoramen, einzigartige Aussichten auf das Okavango-Delta und faszinierende Begegnungen mit exotischer Tierwelt. Allerdings können wir uns daran momentan nur in Filmdokumentationen und Fotobüchern erfreuen.
Doch auch wir bieten auf unseren Webseiten einladendes Material zu Botswana an. Bilder, Beschreibungen, Tourenvorschläge und Reiseangebote für Selbstfahrer oder Freunde geführter Rundreisen durch Botswana.
Ebenso seid ihr mit Fragen zu Botswana bei uns in guten Händen. Wir halten euch bzgl. der Corona-Situation in Botswana auf dem Laufenden, beantworten alle besorgten aber auch organisatorischen Fragen und planen gerne mit euch gemeinsam. Schreibt uns oder ruft uns einfach an. Der Tag wird kommen, an dem ihr mit uns Botswana wieder erleben könnt.