Veröffentlicht am 9. Mai 2016 von Juan Proll
Die Blaue Stunde – oder von Fotografen im Ausnahmezustand
Wir blicken auf die Epupa Falls im Nordwesten Namibias. Unaufhaltsam fließt hier der Kunene mit rasender Geschwindigkeit auf die Klippen zu und stürzt sich wagemutig in die Tiefe. Die aufsteigende Gischt lässt erahnen, wie stark die Wassermassen 37m tiefer auf den Grund knallen, um von dort ihren Weg in ruhigere Gewässer fortzusetzen. Vor dem Licht der untergehenden Sonne bietet dieses Naturereignis ein faszinierendes Landschaftsbild.
Am Wassersaum hat sich ein kleiner Regenbogen gebildet, der dem Anblick etwas Magisches verleiht. Hohe Makalani-Palmen hüllen den Uferrand in ein tropisches Flair und an den Seitenhängen greifen Baobab-Bäume kraftvoll in die Felsformation.
Wohl denen, die mit einer Kamera so umzugehen verstehen, dass sie diese einzigartige Stimmung tatsächlich fotografisch festhalten können. Wohl denen, die gerade mit Elefant-Tours auf einer Fotoreise durch den westlichen und zentralen Norden Namibias unterwegs sind und sich diesen phänomenalen Herausforderungen stellen können. Wohl denen, die mit dabei sind und das Glück haben, sich unter der fotografischen Leitung von Wolfgang Bauer inspirieren zu lassen, um solche Bilder nicht nur zu einer Erinnerung zu machen sondern auch zu einem fortgesetzten emotionalen Erlebnis. Allein der Anblick und ein gelungenes Foto dieser Szenerie entschädigen für das Mitschleppen schwerer Fototaschen und für die mühsame Positionssuche an den steinigen Ufern.
Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr ist Elefant-Tours auch in diesem Jahr wieder in Nambia auf einer Fotoreise unterwegs. Auf dem diesjährigen Programm stehen Dünnenlandschaften, Schiffwracks und Robben an der Skelettküste, Flusslandschaften und Wüstenelefanten in der Einöde des Kaokovelds, Wasserfälle und Himba-Dörfer bei Epupa sowie der berühmte Etosha Nationalpark und ein abschließender Besuch bei Namibias renommiertester Organisation zum Schutz von großen Raubkatzen, Okonjima-AfriCat.
Wieder mit dabei: Wolfgang Bauer – unser verantwortlicher Foto-Reiseleiter. Ohne ihn ist diese Tour wie eine Suppe ohne Salz und eine Paella ohne Reis. Was braucht eine solche Reise noch mehr als einen Fotografen, dem die Lust auf Fotografie aus jeder Pore quillt und der wirklich konsequent die Dinge aus fotografischer Perspektive sieht. Heute z.B. besuchten wir ein traditionelles Himba-Dorf. Ich fragte ihn anschließend, wie er diese Tour fand und Wolfgang startete ansatzlos mit seinen Eindrücken über die Tageszeit, das Licht, die Möglichkeit, sich fotografisch frei durchs Dorf zu bewegen und über Aktivitäten im Schatten oder in der Sonne, die nicht immer leicht zu fotografieren waren. Kein Wort über seine Eindrücke von der Kultur selbst, keine Silbe über beeindruckende Momente der Begegnung mit den Himbas und keine Bemerkungen zu den widrigen Umständen ihrer Lebensweise. Die Faszination und das Verständnis für dieses besondere Volk drückt sich allerdings wieder einmal eindrucksvoll in seinen Bildern aus.
Die Runde der Mitreisenden ist bunt gemischt. Vom Anfänger bis zum echten Könner ist das ganze Spektrum vertreten. Sechs Individualisten, die im fotografischen Miteinander ihr verbindendes Element haben. Mehr und mehr wachsen sie zu einer Gruppe zusammen, die trotz des motivgesteuerten Tunnelblicks jedes Einzelnen immer mehr in ein rücksichtsvolles Miteinander mit dem Blick für den Anderen übergeht. Spätestens an der Bar oder am Essenstisch wird sich dann über die Erfahrungen ausgetauscht und werden Tipps in die Runde geworfen.
Es sind natürlich wieder die frühen Morgen, späten Nachmittage und stockfinsteren Abende, die den Zeitplan und die Aktivitäten der Gruppe steuern: „Zwischen 11 und 3 hat der Fotograf frei“, heißt es und es ist die Zeit, in der ich häufig in den Sitzen zurückgelegte und schlafende Hobby-Knipser durch die Gegend fahre, um sie zu ihrem nächsten fotografischen Einsatzort zu bringen: Spätestens zur blauen Stunde, dem letzten Licht des Tages, muss das Kamerageschoss wieder geladen und zum Abschuss neuer Impressionen frei gegeben sein. Wenn Fotografen mit Herz erst einmal losgelassen werden, dann ist der Ausnahmezustand angesagt und man lässt sie am besten machen, bis sie von selbst wieder zu sich kommen und dir zögerlich sagen, dass du weiterfahren kannst.