Veröffentlicht am 10. August 2015 von Juan Proll
Afrikanisches Elfenbein – legal, illegal, sch…egal
Rekordschlachtungen, immer stärker aufrüstende kriminelle Organisationen, Rückendeckung des illegalen Handels durch Politiker, scheinbar unerschöpfliche Absatzmärkte für Elfenbein sowie riesige Gewinnsummen auf allen Ebenen des blutigen Geschäfts schaffen eine wenig hoffnungsvolle Perspektive für die Opfer dieser geldgierigen Machenschafften: die afrikanischen Elefanten.
Etwa 30.000 – 40.000 gewilderte Elefanten pro Jahr in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist die erschreckende Rekord-Zahl in einer Zeit, in der die weltweit erklärte Bereitschaft zum Tierschutz nie größer war. Die zunehmende Zahl internationaler Abkommen, die noch zahlreicheren Gesetzesregelungen auf nationaler Ebene, die Spezialausbildung von Rangern und sogar der Einsatz von Militärs gehen offensichtlich nicht gleichbedeutend damit einher, den weltweiten illegalen Handel mit Tieren bzw. Tierprodukten wie Elfenbein einzudämmen.
Z.B. Tansania: Das Land ist Unterzeichner verschiedener Artenschutzabkommen. Dennoch war der Juni-2015-Bericht des tansanischen Ministeriums für Natürliche Ressourcen und Tourismus niederschmetternd, als bekannt wurde, dass die Elefanten-Population des Landes zwischen 2009 und 2014 von 109.051 auf 43.330 geschrumpft sei. Berücksichtigt man eine Neugeburtenrate von 5%, die selten überstiegenen wird, so bedeuten diese Zahlen 85.181 getötete Dickhäuter und einen Rückgang von 60,3%. In vereinzelten, touristisch weniger erschlossenen Gebieten wie dem Selous Game Reserve liegt die Quote bei 66%, im Ruaha-Rungwa Ökosystem sogar bei 76%. Für viele Beobachter ist es schwer nachvollziehbar, warum bei dieser Größenordnung den Verantwortlichen erst jetzt die Tragik auffällt. Verständlich also die Stimmen, die sagen, dass dies ohne Korruption und Involviertheit von Politikern nicht möglich sei.
Von über 3 Mio. afrikanischen Elefanten um 1950 und rund 1,5 Mio. um 1980 sind sie auf heute rund 400.000-600.000 dezimiert wurden. Niemand vermag genau zu sagen, wie viele dieser Tiere durch die Elfenbein-Jagd umgekommen sind, aber laut Experten liegt der Anteil bei etwa 72% (PIKE Index).
Die Haupt-Elfenbeinmärkte
China (einschließlich Hong Kong) scheint nach Auswertung aller Daten mit rund 70% Marktanteil der Hauptabnehmer für Elfenbein zu sein. Es dient insbesondere dem Kunsthandwerk, Schmuck und Essensstäbchen.
Gleich hinter China folgte in den letzten Jahren die USA. Nicht nur, weil ihre (Hobby-)Jäger Stoßzähne als Jagdtrophäen ins Land bringen sondern vor allem auch, weil sie den weltweit zweitgrößten Markt für Elfenbein-Produkte hat. Ein Großteil dieses Bestandes ist legale Antikware aus der Zeit weit vor dem globalen Elfenbein-Handelsbann 1989. Doch mischt sich darunter unübersehbar illegal eintreffende Ware aus Asien, mutmaßlich China. Damit wird die bleibende und wohlgenährte Nachfrage in den Staaten mitunter von China gedeckt und der Wilderei zumindest indirekt auch von den USA aus Vorschub geleistet. Es wirkt vor diesem Hintergrund vielleicht zynisch auf den Betrachter, dass die USA jenes Land ist, in dem das weltweit bindende Washingtoner Artenschutzabkommen unterzeichnet wurde.
Die Wilderei breitet sich vor allem aufgrund der steigenden Nachfrage in den wachsenden Wirtschaften Asiens aus. Dennoch sind offensichtlich seit jeher überall in der Welt Elfenbein-Schmuck und Schnitzereien als Luxusartikel und Statussymbol sehr beliebt, Nordamerika und Europa eingeschlossen. Und da der Endkunde unmöglich zwischen legaler und illegaler Ware unterscheiden kann, blüht der Markt elfenbeinreicher denn je. Kriminelle Organisationen und Händler reiben sich die Hände.
Allein nach Asien zu schauen, wo die Haupt-Schmuggelrouten über Malaysia, Vietnam und Hong Kong vor allem nach China und Thailand führen, mag daher das Bild etwas verzerren. Dies verdeutlicht auch die folgende Übersicht der wichtigsten weltweiten Organisationen des Artenschutzes, dem „United Nations Environment Programme“ (UNEP) und der „Convention on International Trade in Endangered Species“ (CITES). Sie zeigt die Top-10-Länder mit den größten heimischen Absatzmärkten für Elfenbeinprodukte:
Man beachte Deutschland auf Platz 5! Und man beachte die Vielzahl nicht-asiatischer Länder, die hier als Konsumentenländer auftauchen.
Der Elfenbeinhandel ist und bleibt eine weltweite Angelegenheit. Er stellt sich komplexer dar, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Das Phänomen speist sich nicht allein aus der Illegalität sondern auch aus dem legalen Handel mit riesigen Alt-Beständen. So machte z.B. Pro Wildlife im letzten Jahr durch eine Pressemitteilung bekannt, „dass die EU der größte Exporteur von angeblich antikem Elfenbein ist“.
Diese Realität einer legalen Parallelwirtschaft bringt Tierschützer auf die Palme, weil es vor allem eine doppeldeutige Botschaft in die Welt streut: Elfenbeinhandel ist schlecht, weil es zum Abschlachten von Elefanten führt. Aber der Handel mit Elfenbein ist okay, wenn wir es nun mal vor uns liegen haben.
Ob legal oder illegal – die absolute Mehrheit des Materials stammt aus gnadenlosen Wilderei-Aktionen und der Handel damit erhält das Besitz- und Kaufinteresse. Die Fortsetzung des Handels erlaubt die Nachfrage, die wiederum den Nachschub von Elfenbein erfordert. Kann dieser aus bestehenden Beständen nicht beschafft werden, geht es eben wieder an die natürlichen Ressourcen – den Elefanten selbst. Da wir aber in einer freien Marktwirtschaft leben, ist das Angebot in der Regel ohnehin größer als die Nachfrage, damit konkurrierende Händler konkurrierende Angebote machen können. Also sterben die Elefanten sowieso.
Schwarzmarkt, Wilderei und das organisierte Verbrechen
Neben dem Konsumenteninteresse sind Armut in den Ländern Afrikas, Korruption sowie schwache staatlichen Kontrollen und Schutzmaßnahmen weitere Schlüssel für die Fortsetzung brutaler Elefantenmassaker.
Der Schwarzmarktpreis für Elfenbein liegt bei etwa 3.000 US$ pro Kilogramm. Im Internet findet man immer wieder einen Rekordzahn von 102,5 kg erwähnt. Dieses einzelne Prachtstück hätte nach aktuellem Stand über 300.000 US$ eingebracht. Tatsächlich ist es heute aber schwierig genug, Elefanten mit einzelnen Stoßzähnen von mehr als 50 kg zu finden. Doch selbst bei einer sehr vorsichtigen Kalkulation von 50 kg Elfenbein pro männlichen Elefanten, also verteilt auf zwei Stoßzähne, käme man immer noch auf rund 150.000 US$. Das afrikanische Elefanten-Weibchen muss dagegen geringer angesetzt werden, weil ihre Stoßwerkzeuge häufig nicht mehr als 20 kg pro Zahn wiegen.
Es handelt sich in jedem Fall um ein lukratives Geschäft. Nicht nur für diejenigen, die über den Endpreis den Gewinn machen, sondern auch für die Menschen am Tatort selbst, also diejenigen, welche die eigentliche Drecksarbeit machen, den Elefanten töten und das Elfenbein aus dem Gesicht hacken oder sägen. Bei Stundenlöhnen, die für viele mitunter bei rund 0,25 Eurocent beginnen, ist eine Aufstockung auf das Doppelte bereits Motivation genug, entsprechende Dienste für das organisierte Verbrechen zu erledigen. Erreichen einmalige Zahlungen sogar Jahresgehälter, wird eine Verweigerung immer schwieriger. Selbst wenn ein solches „Jahresgehalt“ bei einem einfachen Landarbeiter oder Farmergehilfen bei etwa 600,- € läge, wäre der Kapitaleinsatz der Mafia auf dieser Stufe der Handelskette immer noch gering.
Armut und die damit einhergehende Empfänglichkeit für Korruption, aber auch die gepflegte staatliche Korruptionskultur – Tansania, Kenia, Uganda, Kamerun, Nigeria, Mosambik und Zimbabwe dienen hier nur als Beispiele – setzen Dynamiken frei, die es Verbrechersyndikaten relativ leicht machen, zu handeln. Bestochen werden z.B. Ranger für die Information über Patrouillen-Routinen und die Position von Elefantenherden; Polizisten und Militär für das Ausleihen von Waffen, den Transport von Elfenbein und eine passive Haltung bei der Verfolgung von Anzeigen; Beamte für die Ausstellung von Ausfuhrpapieren und das Auslassen von Kontrollen der Frachtcontainer; Diplomaten für den Transport der heißen Ware im Diplomatenkoffer usw. … Wo die Bestechung oder eine großzügige Bezahlung als Angebote nicht ausreichen, kann auch schon mal Druck weiterhelfen: Anwendung von direkter Gewalt gegen die Person, Androhung des Niederbrennens von Hütten oder Feldern, Bedrohung von Familienangehörigen etc. …
Das hohe Niveau an Wilderei-Aktivitäten wird in einzelnen Ländern auch durch militärische Konflikte begünstigt, die Finanzierungszwänge, Gesetzlosigkeit und Waffenüberfluss mit sich bringen. Häufig weisen die sich bekämpfenden Parteien einen Organisationgrad vor, der ihnen den Schmuggel in Zusammenarbeit mit den internationalen Verbrecher-Netzwerken vereinfacht.
Die Syndikate zeigen sich sehr flexibel und zunehmend besser organisiert. Wilderer werden immer professioneller ausgerüstet, modernste Technologie eingesetzt und eine Vielfalt von Schmuggel-Methoden zu Wasser, Land und Luft genutzt. Selbst die Vertriebswege vom Bestimmungsort der heißen Ware bis hin zu den Verkaufsflächen der Einzel- und Großhändler sind im Zeitalter des Internets zunehmend schwieriger zu orten. Die internationale Gemeinschaft zum Schutz der Tierwelt scheint immer einen Schritt hinterher. Die größten Funde von Elfenbein werden irgendwo in der Welt gemacht, seltener in unmittelbarer Tatortnähe. So findet man zwar etwas über Handelswege heraus, z.B. das die Hauptschiffsrouten in Kenia, Tansania und Südafrika starten, aber wie genau das Elfenbein dort gelandet ist, weiß man damit eben noch nicht. Selbst die Erkenntnis, dass die Transitwege zu den Häfen vor allem durch Nigeria, Uganda, Kamerun und Mosambik führen, bleibt erfahrungsgemäß nur eine Momentaufnahme.
Was also tun?
Wenn es um einen Aktionsplan für die Sicherung des langfristigen Überlebens der Elefanten geht, findet nicht selten auch die Rolle des Tourismus‘ darin seinen Platz. Das Beispiel Tanzania zeigt deutlich, dass gerade in den touristenreichen Regionen im Norden und Nordwesten des Landes – also der Serengeti und der Ngorongoro Conservation Area – signifikant weniger Elefanten gewildert wurden als im oben beschriebenen Süden. Das ist tatsächlich ein Beleg dafür, dass Tourismus schützen kann.
Alle weiteren Maßnahme-Vorschläge von Tierschützern lassen sich grob auf folgende Formel bringen:
Mit Null-Toleranz den Elfenbeinhandel auf allen Ebenen der Kriminalität und Legalität unterbinden, die internationale Zusammenarbeit verstärken und die gesamte Kette der weltweiten Strafverfolgung neu strukturieren sowie größtmögliche präventiv orientierte Unterstützung aller Beteiligten, einschließlich der von kriminellen Syndikaten ausgebeuteten Kommunen und Schutzkräfte vor Ort.
Als Mitarbeiter von Elefant-Tours kann ich sagen, dass wir als Unternehmen jegliche Tötung von Elefanten für den Erwerb und Handel mit Elfenbein aus vollster Überzeugung ablehnen, ebenso den daraus resultierenden Handel! Wir tragen den Namen „Elefant-Tours“, weil wir auch morgen noch mit unseren Kunden diesen wunderbaren Dickhäutern in freier Wildbahn begegnen wollen!