Veröffentlicht am 22. August 2016 von Juan Proll
Termitenfreuden
Wer hat in Wohngebieten nicht das Grauen im Nacken sitzen, wenn es auch nur die geringsten Anzeichen für die Anwesenheit von Termiten gibt? Diese krabbelnde Bedrohung, die Eigentum nicht respektiert und sich ungefragt in Holzkonstruktionen einnistet. Wer sein Holz nicht behandelt, kann Pech haben und von diesen kleinen, Zellulose fressenden Monstern invadiert werden.
Und wer sein Holz behandelt … leider auch!
Laut Wikipedia (engl. Version) sind derzeit 2929 Termitenarten bekannt. Die meisten von ihnen bevorzugen die wärmeren tropischen und subtropischen Zonen Asiens, Afrikas und Amerikas. Einige haben aber in Europa den Mittelmeerraum für sich entdeckt. Und selbst in den klimatisch eher kühleren Gefilden der deutschsprachigen Länder gibt es überlebensfähige Termiten. Zu zweifelhafter Berühmtheit haben es die Hamburger Erdtermiten gebracht, die vermutlich vor etwa 80 Jahren ohne Einreisegenehmigung über importiertes Holz von Handelsschiffen eingeschleppt wurden. Sie leben heute u.a. im Gerichtsviertel der Stadt, in kuscheliger Nähe zu den unterirdischen Fernheizrohren. Tja, und wenn auch sonst keiner mehr alte Gerichtsakten lesen mag … Termiten stehen drauf und verschlingen sie im wahren Sinne des Wortes.
In den südlichen Savannen Afrikas sind diese von den Schaben abstammenden Insekten ebenfalls sehr prominent. Riesige Kommunen von bis zu zwei oder drei Millionen Individuen groß existieren hier, organisiert um ein Königspaar herum. Allerdings führt die Königin nicht wirklich das Leben einer Queen Elizabeth. Schließlich muss sie im Dienste ihres Staates pro Tag etwa 30.000 Eier legen, um genügend Nachschub an Arbeitern und Soldaten zu generieren. Sie wird dabei so groß und dick, dass man sie schon für eine kleine Weißwurst halten könnte. Eingesperrt in einer Kammer ist ihr Bewegungsraum auch nicht größer als der einer Henne in einer Legebatterie. Klingt doch mehr nach dem Leben einer Sklavin, oder? Dem König geht es nicht viel besser, ist er doch mehr mit Besamen als mit Regieren beschäftigt.
Besonders auffallend sind von Kenia bis Südafrika die riesigen Termitenhügel der Gattung Macroterminitae. Diese „Schlote“ erreichen locker Höhen um die 4m und mehr. Sie dienen den riesigen Kolonien als Belüftungssystem. Es ist manchmal erstaunlich, wie sehr diese natürlichen Schornsteine die Landschaft prägen. In einigen Gegenden sieht es aus wie eine Form des landwirtschaftlichen Ackerbaus. Wie künstlich gesät stehen sie harmonisch in Reih und Glied auf pflanzenarmen Feldern und erinnern an eine Termitenplantage. Man kann bei diesen offensichtlichen Mengen nur hoffen, dass nicht irgendwann einmal ein Insektizid zu Horrormutationen führt und die zentimeterkleinen Erdbewohner zu metergroßen Monstern machen.
Doch es sind nicht etwa die Farmer, die Termiten züchten, sondern es sind die Macroterminitae, die etwas kultivieren, nämlich Pilze. Im Unterschied zu anderen Termitenarten sind ihnen im Darmtrakt wichtige Mikroorganismen abhandengekommen und durch einen externen Fungus ersetzt worden. Eine Art „Outsourcing“ in der Tierwelt. Der Fungus hilft dabei, die Zellwände der verspeisten Biokost so aufzubrechen, dass Cellulose von Lignin getrennt und Zucker daraus gewonnen werden kann. Also fressen diese natürlichen Recycler das meist tote Pflanzenmaterial der Umgebung, scheiden es anverdaut aus, legen dabei im 29° bis 32° klimatisierten Nestkeller kleine Fäkaliengärten an, die sie mit Pilzsporen der Sorte Termitomyces überdecken, und warten nun geschäftig ab, bis die „Nüsse“ geknackt sind.
Ganz schön „smart“, nicht wahr?! … Zur Nachahmung aber nicht empfohlen.