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Veröffentlicht am 26. September 2016 von Juan Proll

Geboren um getötet zu werden

Bei dieser Überschrift mag man an Hühner, Rinder, Schafe oder Schweine denken – Nutztiere eben, deren Fleisch, Milch oder Eier schon Jahrhunderte die Menschheit nährt. Kaum einer würde ihretwegen eine Safari in Afrika buchen. Was hier die Urlauber begeistert sind frei lebende Tiere, wie Giraffen, Zebras, Elefanten, Nashörner und so viele mehr. Doch auf der Wunschliste der meisten Besucher steht vor allem einer – der unbestrittene König der afrikanischen Tierwelt: Seine Majestät, der Löwe.

Den Löwen in den Nationalparks zu begegnen ist für die meisten Gäste ein ganz besonderes Erlebnis – egal, ob sie faul auf dem Boden liegen und bei der Körperpflege zärtlich ihre mächtigen Pranken lecken; oder ob sie erhaben am Landcruiser vorbei schreiten und ihren aus dem Fahrzeug schauenden Bewunderern einen kurzen, gönnerhaften Blick zuwerfen; oder ob sie genüsslich aber unbarmherzig an ihrer frisch geschlagenen Beute reißen und jeden Beobachter um sich herum zu verstehen geben, dass sie vielleicht süß aussehen mögen aber ansonsten wild und tödlich sind.

Gerade Letzteres hat die Löwen auch unter den Jägern so beliebt gemacht. Sie sind bereit, für die Jagd auf Löwen bis zu ca. 45.000,- € auszugeben, wenn es ein Männchen mit einer prächtigen, besonders dunklen und dichten Mähne ist. Wichtig für den Trophäenwert ist ihnen, dass der Löwe eine „faire Chance“ hat, zu entkommen, der Jäger also all sein Können aufbieten muss, um ihn zu stellen und zu schießen. Macho-Spielchen eben, die nicht dem Überleben durch Nahrungszufuhr dienen, sondern der persönlichen Ego-Pflege und Adrenalin-Zirkulation. Ich bin Nature Guide und kann den Kick darin nicht nachvollziehen. Töten um des Töten Willens? Für Ruhm und Ehre?

Dass bei weltweit steigendem Jagdfieber mit vermeintlich großer Ansteckungsgefahr irgendwann findige oder windige Geschäftsleute diesbezüglich eine Marktlücke kreieren, kam zwar nicht überraschend, war aber dennoch nicht wünschenswert. Vereinfacht gesagt basiert das Geschäftsmodell darauf, dass die Nachfrage bezüglich der Löwenjagd steigt. Zum einen, weil eine globalisierte Welt immer leichter werdende Wunscherfüllungsmöglichkeiten bietet. Zum anderen, weil diversifiziertere Jagdangebote das Spektrum potenzieller Jäger um ein Vielfaches erweitern.

In diesem Modell muss man kein professioneller Jäger mehr sein, der noch dazu sehr wohlhabend ist, um sich seinen Trophäentraum zu verwirklichen. Auch ungeübte Gelegenheitsjäger mit weniger Geld sollen ihre Chance bekommen. Und damit der Erfolg garantiert werden kann, vereinfacht man sogar die Jagdbedingungen, z.B. durch Sedierung der Löwen, oder durch das Einsetzen von Löwen, die nur Gefangenschaft kennen, oder durch die Eingrenzung des Jagdgebietes auf etwas mehr als Hinterhofgröße. Um all dies aber möglich zu machen, braucht es vor allem eins: einen gesicherten Nachschub an Löwen.

Die Frage ist also: woher kommen diese Löwen, wenn man die Bestände in der Wildnis nicht noch weiter ausdünnen und die ohnehin bedrohte Existenz der Spezies noch weiter gefährden möchte?

Afrikas wild lebende Löwenpopulation wurde allein in den letzten beiden Jahrzehnten um ca. 43% dezimiert und wird heute auf etwa 20.000-23.000 geschätzt. Hauptursachen hierfür sind der Verlust von Lebensräumen und einhergehende Mensch-Tier-Konflikte sowie die Wilddieberei bzw. illegale Jagd. Die legale Jagd auf Löwen ist dagegen starken Reglementierungen ausgesetzt, um den Bestand der Spezies zu schützen. Allerdings zeigte die Cecil-Tragödie im letzten Jahr, wie schwer die Jagd zu regulieren und die Nachhaltigkeit diesbezüglicher Gesetzgebungen zu sichern ist. Das bekannte Löwenmännchen Cecil wurde von Jägern aus dem Nationalpark in ein angrenzendes Jagdgebiet gelockt und dort erschossen.

© FOUR PAWS
© FOUR PAWS

Nichts ist also unmöglich und Business ist machbar. Aber für ein sicheres Geschäft, das auch „die Masse“ erreicht, braucht es mehr. Ein führendes Beispiel dafür, wie das gehen kann, ist Südafrika. Etwa 2300 wilde Löwen leben hier in geschützt-freier Wildbahn. Zu wenig und zu geschützt, um die (geschürte) Nachfrage zu decken. Der Nachschub für die Jagdindustrie wird deshalb dadurch gewährleistet, dass auf speziellen Farmen Löwen gezüchtet werden. Rund 200 Farmen sind dafür bekannt, geschätzte 6.000 bis 8.000 „wildbefreite“ Löwen für ihre finale Begegnung mit einem Gewehrlauf oder Bogenpfeil großzuziehen. Sie leben eingepfercht in Ställen, dümpeln jenseits von artgerecht ihr herausforderungsloses Leben dahin und warten auf den Gnadenschuss.

Häufig werden sie zuvor schon als Löwenbabys un-natürlich früh von der Mutter weggenommen und mit der Hand aufgezogen. Das ermöglicht einerseits, dass das Weibchen sehr viel schneller wieder empfängnisbereit wird und im „Produktionsmodus“ bleibt. Andererseits bedeutet eine frühe Gewöhnung an den Menschen die Möglichkeit, Geld in der Streichelindustrie zu verdienen. (siehe hierzu einen früheren Blog-Beitrag von mir: Mit Löwen Gassi gehen) Wenn diese zahmen Löwen dann jung in den Ruhestand gehen, weil sie eben irgendwann nicht mehr süß sind, dann heißt es nur noch warten auf die Weiterverwertung – u.a. eben in der Jagdindustrie.

Farmer und Jagdanbieter neigen gerne dazu zu sagen, dass auf diese Weise der nachhaltige Schutz von Löwen finanziert werden kann. Leider fehlt es dafür zu häufig an Belegen, wie auch Tierschutzorganisationen wie z.B. Four Paws, Canned Lion oder Blood Lion immer wieder anmahnen. Der Verkauf von gezüchteten Löwen an Jagdfarmen scheint vor allem den nachhaltigen Schutz des Geschäfts zu sichern – leider auf Kosten der Tiere!

Ich sage „NEIN“ zu dieser Praxis, die so unnötig ist, wie das Halten von Zirkus-Löwen oder Jahrmarkt-Elefanten! Es ist für mich schwer zu verstehen, was in Menschen vorgeht, die zunächst die kleinen, lebensfrohen, superdrolligen Löwenbabys in der Hand haben und diese dann aber unter unwürdigen und lebensfeindlichen Bedingungen aufbewahren, damit sie schließlich an Jäger verfüttert werden können. Es ist für mich auch schwer zu verstehen, dass dies in einem Land passieren kann, das ansonsten sehr viel für den Schutz und das Wohlergehen seiner Tiere tut, hier aber zwei Augen zudrückt und die Ohren einklappt. Gefordert ist hier die südafrikanische Regierung, die mit einer zu durchlässigen Gesetzgebung bisher alles andere getan hat, als dieser pervertierten Geschäftsform einen Riegel vorzuschieben.

Auch im Namen von Elefant-Tours kann ich sagen, dass wir allen Reisenden wärmstens ans Herz legen, diese Löwenzuchtindustrie nicht zu unterstützen und sich vor einem Besuch in einem dieser Streichelzoos für Löwen lieber noch einmal bei uns oder einer Tierschutzorganisation vor Ort zu versichern, ob es sich um ein aufrichtiges Rehabilitationszentrum oder um eine Zuchtfarm handelt. Im Zweifelsfalle sollte man einen Besuch lieber meiden. Aus unserer Sicht gibt es ohnehin nichts Schöneres und Aufregenderes, als Wildkatzen in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben.