Veröffentlicht am 9. November 2015 von Juan Proll
Doktoren der anderen Art
Ein Urlaub in Afrika in der Umgebung von exotischen Nationalparks, faszinierenden Wüsten, spektakulären Bergformationen, herrlichen Küstenlandschaften und endlos abwechslungsreicher Tierwelt ist so paradiesisch, wie es klingt. Hier zu leben und einzutauchen in die Besonderheiten einheimischer Kulturen und Lifestyles ist nicht minder aufregend.
Ein immer wieder beeindruckender Teil dieser Kulturen ist die traditionelle Medizin, basierend auf heilende Eigenschaften vieler Bäume und Sträucher, an denen ich mit meinen Gästen vorbeikomme, wenn wir im Busch unterwegs sind. Da ist z.B. der Hirtenbaum (Boscia albitrunca), dessen reife Früchte so verführerisch lecker schmecken, dass man sich nur allzu gerne damit die Wampe füllt. Aber schon hat man den Salat: Verstopfung bis zur Schmerzgrenze! … Die San können ein Lied davon singen.
Was also tun, ist hier die Frage. Apotheken mit den aus Erkenntnissen moderner Wissenschaft hergestellten Medikamenten sind häufig weit entfernt in den modernen Städten. Leicht erschwinglich sind sie dort auch nicht unbedingt. Und dass sie wirklich besser wirken als natürlich hergestellte Buschmedizin, ist für viele Einheimische eh kaum vorstellbar. Also behilft man sich im Falle der Verstopfung mit demselben Baum, dessen Früchte sie verursacht haben. Man bereitet aus der klein gehackten und pulverisierten Rinde einen Sud, trinkt ihn und wartet nun mit viel Klopapier bewaffnet, bis sich die Umkehrreaktion im Darmtrakt einstellt.
Für solche Behandlungen waren und sind natürlich die Medizinmänner und -frauen der jeweiligen Volks- bzw. Stammesgruppen zuständig. Wie der gallische Druide Miraculix ziehen sie hinaus in die Wälder und Savannen, um sich die notwendigen Ingredienzien zusammenzusuchen. Selbst in den Townships der afrikanischen Metropolen südlich der Sahara halten sich diese Traditionen. Jedoch mit einem kleinen Unterschied: eine beachtliche Zahl von Scharlatanen mischt sich unter sie.
Gerade in einschlägigen Zeitungen wie dem „Sowetan“ findet man Anzeigen von Doktoren der anderen Art. Sie versprechen Heilung von allem, seien es Krankheit, Unglück, Geldnot, Partnerschaftsprobleme oder sexuelle Unzulänglichkeiten. Ihre Anzeigen lesen sich wie ein offener Betrug: Sprays zur Steigerung der sexuellen Attraktivität, Penisverlängerung, Zurückeroberung der verlorenen Liebe, Kontakt zu den Ahnen, ein magischer Ring zum Gewinn der Lotterie, Gefängnisentlassung, Gehaltserhöhung, Heilung von HIV oder Erhalt von Schönheit und Jugend sind nur Beispiele eines reichhaltigen Rehabilitationsmenüs.
Die Unmöglichkeit dieser Angebote ist unübersehbar und dennoch gibt es diesen Markt dafür. Etwa 15 Anzeigen dieser Art pro Ausgabe sind üblich. Hier und da findet man sogar Werbungen in Supermärkten und die Mund-zu-Mund-Propaganda tut ihr Übriges. In einem Wildschutzgebiet, in dem ich mal arbeitete, gab es eine Frau, die fest davon überzeugt war, mit einem Liebespulver zu bewirken, dass ich mich unsterblich in sie verliebe. Es hat nicht wirklich funktioniert. Weder habe ich mich in sie verliebt noch bin ich unsterblich geworden.
Dieses tiefe Vertrauen in Übersinnliches mag sich im Wesen nicht vom Glauben derjenigen unterscheiden, die ihre Hoffnungen z.B. in der christlichen Religion ausleben. Und so ist es auch mit der Medizin, egal ob traditionell oder modern: in ihrem Wesen geht es um Heilung. Die Faszination liegt daher in den exotisch anmutenden Unterschieden, die kaum deutlicher zu spüren sind als während einer Reise durch Afrika.