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Veröffentlicht am 24. August 2015 von Juan Proll

– Zuletzt aktualisiert am 10. September 2025

Männliche Beschneidung – das Zufahrtstor zur Männlichkeit im Xhosa-Volk Südafrikas

Beschneidung ist die operative Entfernung der Vorhaut des männlichen Gliedes, durchgeführt aus religiösen, kulturellen oder medizinischen Gründen, oft als Übergangsritual zur Männlichkeit.

Dieser Artikel behandelt ausschließlich die traditionelle männliche Beschneidung (Ulwaluko) der Xhosa-Kultur in Südafrika und deren kulturelle Bedeutung. Es geht nicht um weibliche Genitalverstümmelung, welche bereits in 24 afrikanischen Ländern verboten ist.

Die Xhosa, eine der größten ethnischen Gruppen Südafrikas, praktizieren seit Jahrhunderten ein tiefgreifendes Initiationsritual, das junge Männer vom Jungen- ins Erwachsenenalter führt.

Ulwaluko – die traditionelle Beschneidung – ist weit mehr als nur ein medizinischer Eingriff. Sie markiert den entscheidenden Übergang zur Männlichkeit und symbolisiert die Aufnahme in die Gemeinschaft der erwachsenen Männer.

Dieses jahrhundertealte Ritual verbindet spirituelle, kulturelle und soziale Elemente und spielt eine zentrale Rolle im Leben der Xhosa-Männer. Für Außenstehende mag es schwer verständlich sein, doch für die Xhosa ist Ulwaluko ein heiliger Prozess, der Respekt, Mut und die Bereitschaft zur Verantwortung lehrt.

Das Xhosa-Beschneidungsritual Ulwaluko findet zweimal jährlich statt: Ende Juni/Anfang Juli und Ende November/Anfang Dezember. Die jungen Männer sind etwa 18 Jahre alt und haben gerade die Schule abgeschlossen.

Das Ende der Schulzeit markiert den Übergang ins Erwachsenenleben und gilt heute für viele als passender Zeitpunkt als der 21. Geburtstag, der früher bevorzugt für das Ritual der Mannwerdung gewählt wurde.

Nach dem Schnitt folgt eine Periode der Abgeschiedenheit, die etwa einen Monat dauert, in der die Initianten (Abakwetha) sich im Busch von der Gesellschaft zurückziehen und wichtige Lehren über das Erwachsenwerden erhalten.

Diese Traditionen bergen jedoch erhebliche Risiken. Die Beschneidungen finden meist unter unsterilen Bedingungen statt, wodurch die Infektionsgefahr drastisch steigt. Regelmäßig berichten die Medien nach jeder Beschneidungssaison über tragische Todesfälle durch misslungene Eingriffe.

Betroffen sind vor allem junge Xhosa, deren Volk mit über acht Millionen Menschen überwiegend in den abgelegenen Hügellandschaften des Ostkaps lebt. Mit rund 80 % stellen sie zudem die größte Zuwanderungsgruppe in Kapstadts größtem Township Khayelitsha, wo sie auch ihre Beschneidungstraditionen pflegen.

Der wahre Xhosa-Mann

Wer den Weg der Initiierung antritt, taucht ein in eine geschlossene Männerwelt, die wie in einer Brüderschaft ihre eigenen Regeln und Gesetze hat. Wichtigstes Prinzip: Niemand redet über seine Erlebnisse und Erfahrungen mit Außenstehenden.


Informationen zu erhalten ist daher schwierig – und ihre Veröffentlichung wird von vielen als massiver Eingriff in die Privatsphäre einer verschworenen Männergemeinschaft empfunden. Öffentliche Diskussionen über „richtig“ oder „falsch“ sind unerwünscht, ebenso wie Vorschläge, die Beschneidung in modernen Kliniken unter Anästhesie durchzuführen.

Zwar werden Todesfälle und schwere gesundheitliche Komplikationen bedauert, doch gilt für viele nach wie vor: Der Weg zum „wahren Xhosa-Mann“ führt ausschließlich über die traditionelle Beschneidung.

Wer das traditionelle Ritual aus gesundheitlichen Gründen abbrechen muss – sei es, um sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit zu bewahren – gilt dennoch als jemand, der es „nicht über den Fluss geschafft“ hat.

In der Wahrnehmung vieler bedeutet das, Schwäche zu zeigen und nicht als vollwertiger Mann anerkannt zu werden. Diese soziale Einstufung wirkt sich lebenslang aus: Wer nicht als Mann gilt, wird weiterhin als „Boy“ bezeichnet – unabhängig vom tatsächlichen Alter.

Entsprechend erfährt er in der Gemeinschaft weniger Respekt. Bei wichtigen Zeremonien wie Hochzeiten, Jubiläen oder Trauerfeiern erhält er keinen Platz im inneren Kreis der Familie, sondern wird an den Rand verwiesen.

Auch über Themen, die als „Männerangelegenheiten“ gelten – etwa Ehe, Sexualität oder Fragen des Gemeindelebens – wird mit ihm nicht gesprochen.

In besonders drastischen Vergleichen wird ein erwachsener „Boy“ sogar einem Hund gleichgesetzt – als jemand, der zwar Teil der Gemeinschaft ist, dem jedoch gesellschaftlicher Wert und Anerkennung fehlen und der weitgehend vom Wohlwollen anderer abhängig bleibt.

Diese Überzeugungen können sehr skurrile Züge annehmen. Ich sprach z.B. mit einem, dessen Vater nicht beschnitten ist. So lange er als Sohn „Boy“ war, war das alles kein Problem.

Seitdem er aber „Mann“ ist, kann er seinen Vater nicht mehr voll und ganz respektieren. Sein Vater ist ein „Boy“ und von einem solchen kann er weder Forderungen noch Ratschläge akzeptieren.

Gleichzeitig beschämt ihn dieser Umstand, weil er für die Xhosa-Gemeinschaft der Sohn eines „Boys“ ist. Normalerweise darf ein Boy keine Ehe eingehen.

Gerade an diesem Beispiel zeigt sich, wie stark das kulturelle Konzept von Männlichkeit mit der Initiation verknüpft ist: Mann ist nur, wer erfolgreich beschnitten und durch die Initiierungsschule gegangen ist.

Andere Aspekte des Lebens – ob ein Mann bereits Vater und Ehemann ist, Kinder großzieht, beruflich erfolgreich ist, ein Haus besitzt oder sich sozial engagiert – spielen dabei keine Rolle.

Egal, ob man in den Xhosa-Hochburgen am Ostkap lebt oder in Khayelitsha. Die Gespräche zeigen nur allzu deutlich, wie stark diese Tradition in ihrer Kultur verankert ist und wie groß die soziale Kontrolle.

Es ist der Moment, an dem Freundschaften zerbrechen oder Familiengefüge auseinandergerissen werden können. Es ist der heikle Augenblick, der im Zweifelsfall auch in der gewaltsamen Beschneidung enden kann.

Bestes Beispiel dafür: Südafrikas Sportminister Fikile Mbalula. Er ist Xhosa und gilt als intelligent, humorvoll, zielstrebig und eloquent. Bereits mit 37 war er Vorsitzender der ANC Jugendliga, der Nachwuchsorganisation der stärksten Partei des Landes.

Er war schon deswegen bei den Xhosas ein angesehener Mann, zudem verheiratet. Doch als bekannt wurde, dass er die traditionelle Initiation nicht durchlaufen hatte und damit weiterhin als „Boy“ galt, änderte sich seine Stellung innerhalb der Xhosa-Gemeinschaft schlagartig.

In der Folge wurde er gegen seinen Willen in eine Initiierungsschule gebracht.

Wer jetzt denkt, dass man solche oder ähnliche Entführungsfälle bei der (Ostkap-)Polizei melden könnte, vermutet nicht, dass auch diese mehrheitlich aus kulturverbundenen „Männern“ besteht.

Freiheitlich-demokratische Rechte treten hier oft hinter den Erwartungen der Gemeinschaft zurück: Für die Xhosa ist es nicht akzeptabel, dass eine herausragende Führungsperson ohne Initiation respektiert werden soll. Der soziale Druck ist entsprechend immens.

Rite of Passage – die ritualisierte Reise in die Männerwelt

Der Übergang vom Jugendlichen zum Mann erfolgt über drei Phasen: die Ablösung von der Kindheit, das Ritual der Beschneidung in der Initiierungsschule und der Eintritt in die Männerwelt. Man lässt also als Kind alles hinter sich, schlägt den Weg der Initiierung ein und kehrt später als Mann zurück.

Wenn die Reise in die Männerwelt bevorsteht, werden die Spielsachen verschenkt, das Handy aufgegeben, der Schlafplatz runderneuert und die Kinderkleidung verbrannt oder an jüngere Brüder weitergegeben.

Eingehüllt in eine jungfräuliche Decke geht es nun für die folgenden 4 Wochen in die Initiierungsschule, die einerseits noch nah genug am Lebensort des Schützlings sein soll, um den Kontakt zu den Ahnen des Familien-Clans zu sichern, andererseits aber weit genug von der heimischen Kommune entfernt sein muss, um damit die Abkapselung von der Kindheit und die Loslösung von der Mutter deutlicher zu vollziehen.

Dazu wird ihm auch in einem weiteren symbolischen Schritt gleich zu Beginn der Initiierungsschule eine Glatze geschoren und das Gesicht (später der ganze Körper) mit weißem Lehm eingeschmiert (Reinigung).

Die Initiierungsschule ist vor allem eine körperliche und psychische Schmiede für Stärke und Durchhaltevermögen. Die ersten 7-8 Tage dienen der Beschneidung selbst. Mit einem Messer, einer Rasierklinge oder einer Speerspitze wird die Penisvorhaut ohne Betäubung von einem ausgewählten traditionellen Beschneider entfernt.

Die verursachten Wunden werden mit Heilkräutern versorgt. Ein traditioneller Krankenpfleger überwacht den Heilungsprozess. Um so wenig wie möglich zu urinieren, gibt es die ersten Tage keine bis wenig Flüssigkeit.

Auch das Essen der ersten Woche ist speziell und enthält z.B. kein Salz. Untergebracht sind sie in einer Boma-Hütte, die am Ende ihrer Reise in die Männlichkeit hinter ihnen abgebrannt wird.

Unmittelbar nach der Beschneidung selbst rufen sie zwar aus: „Ndiyindoda“ (Ich bin ein Mann), aber tatsächlich „Mann“ mit allen Ehren dürfen sie sich erst nennen, wenn sie auch die anschließende Zeit bis zum Ende der Initialisierung mannhaft überstanden haben.

Dazu gehören das tagelange Ertragen des Beschneidungs- und Heilungsschmerzes und das Durchlaufen des „schulischen“ Teils der Initiierung. Es geht z.B. um Überlebensaufgaben im Busch, wo Früchte der Natur ihre Nahrung sichern oder sie dünn bekleidet kalte Nächte überstehen.

Ihnen werden Verantwortung und Respekt vermittelt sowie ihre Stellung als Mann in der Gesellschaft näher gebracht. Sie erfahren, was erlaubt und nicht erlaubt ist, was Ehre bringt oder Schande macht.

In dieser Zeit dürfen sich nicht einmal Mädchen und Frauen annähern, weil alles Weibliche als Bedrohung und Ablenkung von der Mannwerdung angesehen wird: Mütter, die Sorge um ihre Kinder zeigen, Mädchen, die verführen könnten.

Sogar ein möglicher Einfluss durch Hexerei wird befürchtet. Die Noch-Jungs sind in dieser Phase instruiert, bei drohendem Kontakt mit der Weiblichkeit das Weite zu suchen.

Wenn die Initialisierten gereift und Wochen später nach Hause kommen, werden sie als Männer begrüßt und gefeiert, trinken Bier, werden beschenkt und schlüpfen in ihre neue, männlich-elegante Kleidung.

Erkennbar sind sie jetzt auch an ihrem Hut bzw. ihrer Kappe, die sie fortan für eine bestimmte Zeit ständig tragen. Sie sind stolz auf sich selbst, haben eine harte Zeit gut überstanden und sind überzeugt, dass nur dieser Weg ihnen eine Identität als Mann verleiht.

Die Gescheiterten

Für die Xhosa-Jungs, die es versucht aber nicht geschafft haben, beginnt dagegen ein Leben in der Isolation, – sofern sie überhaupt überleben.

Jedes Jahr bezahlen viele Xhosa-Jungen den Preis für fehlende Sicherheit und Aufklärung – ihr Traum, als Männer in die Gemeinschaft zurückzukehren, endet für manche in Krankheit oder gar im Tod.

Allein im Jahr 2024 starben 100 junge Menschen an den Folgen der Beschneidung, bei 11 weiteren war eine Genitalamputation notwendig. Man geht von einer noch weit höheren Dunkelziffer aus.