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Veröffentlicht am 22. Juni 2015 von Juan Proll

„Albinos“ in Afrika oder: „Die farblosen Schwarzen“

Ach, liebe Freunde des Blogs, so ein Urlaub ist herrlich: reisen und entspannen, neues sehen und erleben. Und im Idealfall freut man sich am Ende sogar wieder auf „Daheim“. … Auch ich bin nun wieder Zuhause und voller Vorfreude auf meine nächsten Begegnungen mit den Eigenheiten afrikanischer Kulturen. „This is Africa“ bedeutet beinahe täglich eine neue Zutat in den Topf, in dem das schmackhafte aber für manchen zuweilen bittere Leben hier köchelt.

Kaum zurück aus dem Urlaub lese ich in der Zeitung vom ‚Tag des Albinismus‘, der am 13. Juni 2015 seine weltweite Premiere feierte. Dieser sich nun jährlich wiederholende Gedenk- und Aktionstag will zukünftig  die Situation von Menschen ins Bewusstsein aller rufen, die wir im Volksmund gerne – und leider diskriminierend – als „Albinos“ bezeichnen. „Wow“, staune ich über diese Nachricht, „ein denkbar wichtiger Tag in weiten Teilen Afrikas.“

Albinismus geht zurück auf ein rezessives Gen, das die reguläre Produktion des Hautfarbstoffs Melanin blockiert und die Dunkelfärbung der menschlichen Schutzhülle verhindert. Die Folge ist eine generell hellere Haut-, Haar- und Augenfarbe, Einschränkungen der Sehfähigkeit und ein größeres Krebsrisiko. Ich denke immer gleich an Heino und „Blau, blau, blau blüht der Enzian …“. Heino gehört im deutschsprachigen Raum sicher zu den schillerndsten Figuren – zwischen Ruhm und Erfolg auf der einen Seite und dem Synonym für Albinismus auf der anderen. Leider wird er für seine „albinotische“ Erscheinung oft  belächelt wie ein Clown für seine rote Pappnase.

In einigen Teilen Afrikas erscheint das Belächeln eines Menschen mit Albinismus das kleinere Übel. Der Umgang ist hier in seiner Ausprägung vielfältiger. Z.B. lebt Mali’s Pendent zu Heino, der Afro-Pop Singer und Songwriter Salif Keïta, in einem Land, in dem Albinismus im Verruf steht, Unglück zu bringen und wo Ausgrenzung und Diskriminierung dazu führen können, dass Kinder getötet oder von ihren Eltern versteckt oder, wie bei Salif, sie aus der Familie verjagt und aus dem Dorf verbannt werden. Natürlich sind hier Menschen mit Albinismus, die in einer sehr dunkelhäutigen Gemeinschaft leben, gleich viel auffälliger … mit weißer Haut und blond gekräuseltem Haar.

Seltener zu finden sind Gegenden, wo Menschen mit Albinismus respektiert oder sogar verehrt werden. So glauben z.B. die Yoruba in Nigeria und Benin, dass diese Menschen unter dem besonderen Schutz ihres Gottes Obatala stünden, der sie geschaffen habe, weil er die Farbe Weiß so toll finde.

Bei einer solchen Sicht der Dinge ist es sicherlich verständlich, dass viele Bewohner Afrikas dieser Gruppe von Menschen sogar übernatürliche Kräfte zuschreiben. Mehr noch: Sie glauben auch daran, dass diese Kräfte übertragbar sind, z.B. durch einfache Berührungen oder Sex oder der Aufbereitung von Körperteilen in magischen Getränken. Medizinmänner und -frauen fördern diese Vorstellung gerne und bedienen insbesondere Kranke, Arme, Erfolglose und Unglückliche mit vermeintlich heilenden „Albino-Produkten“.

Die Wahrnehmung vieler afrikanischer Bewohner nährt sich aus Unwissenheit, Legenden und Aberglaube. Daraus resultierendes Verhalten, wie es auch der erste Welt-Albinismus-Tag an die Öffentlichkeit bringt, sorgt immer wieder für Aufschreie in meinem Innersten:

  • In Zimbabwe werden Frauen mit Albinismus von abergläubischen Männern mit HIV und AIDS in der Überzeugung vergewaltigt, damit ihre Krankheit heilen zu können.
  • In Kenia, Burundi, Malawi und Tansania werden Menschen mit Albinismus getötet und Körperteile abgeschnitten, um sie zu verkaufen und sie in Zaubertränke zu verwenden oder zu Talismane zu verarbeiten, die den Menschen Gesundheit, Erfolg und Wohlstand bringen sollen.
  • Es heißt, dass je nach Land Summen von bis zu 75.000 US$ (ca. 66.200 €) für einen kompletten „Albino-Körperteil-Set“ gehandelt werden, bestehend aus allen Armen und Beinen, Genitalien, Haaren, Augen, Ohren, Zunge und Nase.
  • Die Menschenrechts- und Albinismusorganisation „Under The Same Sun“ (UTSS) listet in diesem Zusammenhang 140 Morde so wie 219 Mutilationen und andere Attacken gegen Menschen mit Albinismus in 25 afrikanischen Staaten zwischen 1998 und 2015 auf.

Die Zahlen finde ich erschreckend und die Radikalität in den Handlungen erst recht. Hier ist ein ganzer Markt entstanden, der wahrscheinlich gar nicht so einfach zu stoppen ist, weil das Netz der Bildung und Entwicklung in den meisten Regionen nicht ausreichend ist, um die Tentakeln der Mythologie und Mystik einzufangen. Ich hoffe, der „Tag des Albinismus“ wird hier langfristig einen guten Beitrag leisten können.